Wels, einst SPÖ-Bastion, ist seit 2015 die größte Stadt mit einem FPÖ-Bürgermeister, am 26. September wird gewählt. Die Zahl der Ausländer ist inzwischen auf fast 30 Prozent gestiegen.
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Die neubarocke Fassade des Rathauses auf dem Welser Stadtplatz strahlt in der Augustsonne. Daneben ist die Hausfront eingerüstet. Baustellengitter nur wenige Meter neben dem schweren Eingangstor zum Rathaus sind zur Absicherung aufgestellt. Die Neugestaltung des politischen Zentrums der Messestadt mit rund 67.000 Einwohnern im oberösterreichischen Zentralraum umfasst in diesem Sommer das Gebäude.
Was die Politik betrifft, ist am 26. September bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen, die in Oberösterreich am selben Sonntag wie der Landtag neu gewählt werden, Lostag. Wels steht besonders unter Beobachtung: Es ist seit Herbst 2015 die bundesweit größte Stadt mit einem FPÖ-Bürgermeister in Person des 48-jährigen Rechtsanwalts Andreas Rabl. Eine mögliche Stichwahl findet zwei Wochen später statt.
Es ist beschaulich ruhig auf dem Welser Stadtplatz an diesem Sommertag. "Wels chillt", steht auf allerdings wenig frequentierten Liegestühlen. In den Schanigärten in der verkehrsfreien Zone ist mehr los. Aktivisten machen nicht weit davon entfernt Stimmung gegen den "Corona-Terror". Dass Ende September gewählt wird, ist erst in den Hauptstraßen von Wels zu bemerken.
Obwohl ein Fairnessabkommen Wahlwerbung erst ab dem 16. August vorsieht, wird dort auf Plakaten schon für den blauen Stadtchef Rabl und den neuen ÖVP-Spitzenkandidaten Andreas Weidinger, der vom jetzigen Stadtrat Peter Lehner auf den Plakaten flankiert wird, geworben. Der erfahrene Wirtschaftsbündler Lehner ist Obmann der fusionierten Sozialversicherungsanstalt für Gewerbetreibende und Bauern.
Während die ÖVP wie in vielen anderen Städten lange Zeit einen schweren Stand gegen die meist dominierende SPÖ, die ihre Macht auch ausspielte, hatte, gelang den Freiheitlichen bei der Kommunalwahl 2015 der Coup. Mit satten 43 Prozent wurden die Blauen zur stärksten Kraft, der Jurist Rabl setzte sich in der Stichwahl klar gegen den seinerzeitigen SPÖ-Gegenkandidaten durch. Die Welser SPÖ, mit einer Riege älterer Männer zunehmend versteinert, musste sich mit knapp 27 Prozent vor der ÖVP mit 17 Prozent zufriedengeben.
Den Sozialdemokraten ist neben den politischen Ermüdungserscheinungen 2015 vor allem der wachsende Unmut der - älteren - Welser über die Zuwanderung von Ausländern und und Integrationsprobleme auf den Kopf gefallen. Es war die Stunde des sanften Rhetorikers Rabl, der mit seinem Auftreten, und anders als der Fundamentaloppositionelle Herbert Kickl an der Bundesparteispitze, niemanden wirklich abschreckt. Den erfolgreichen Kurs will er weiterfahren: "Den Rambo-Stil wie im Nationalrat gibt es in der Stadt nicht", sagt Rabl. Mehr noch: Die Welser FPÖ zieht dieses Mal sogar als "Team Rabl" in den auf ihn zugeschnittenen Wahlkampf, der den Eindruck der Überparteilichkeit erwecken soll.
Stadtchef tritt als "Team Rabl" an
Aber auch er kann auf der gewohnten blauen Klaviatur spielen, wenn er klarstellt, dass Sozialleistungen an die Bereitschaft zur Integration gekoppelt werden sollen und er die steigende Zahl an Schulschwänzer unter Migrantenkindern beklagt. Nicht zufällig ist neben dem Konterfei des FPÖ-Bürgermeisters zu lesen: "Unsere Stadt, unsere Werte, unsere Regeln." Die Bevölkerungsentwicklung geht aber gerade auch in Rabls Amtszeit in eine andere Richtung. Das städtische Jahrbuch weist mit Ende 2019 einen gestiegenen Ausländeranteil mit knapp 30 Prozent aus. Um gut 1.000 hat die Zahl der Ausländer auf 19.245 zugenommen. Die Zuwanderung auch aus dem Umland sorgt für ein Wachstum. 682 Geburten standen 2019 insgesamt 735 Sterbefällen gegenüber.
Weniger Bezieher von Sozialhilfe
An der Sozialhilfe lässt sich, wie auch der grüne Spitzenkandidat Thomas Rammerstorfer hervorhebt, allerdings auch die Entwicklung der Stadt unter FPÖ-Führung ablesen. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist von 1.684 in privaten Haushalten im letzten Wahljahr 2015 auf 1.150 im Jahr 2019 gesunken. SPÖ und Grüne beklagen auch weniger Geld für Vereine und Pflege, dafür Show nach außen hin und "viel Fassade". Das beherrsche Rabl, heißt es übereinstimmend. Dazu habe Wels 2015 vom Verkauf der Sparkassenanteile mit mehr als 70 Millionen Euro profitiert, heißt es in der SPÖ, die diesen Deal noch vorbereitet hat.
So mancher Welser hat dennoch ein positives Bild vom blauen Bürgermeister. "Es hat sich viel getan in Wels", bescheinigt eine Einwohnerin der "Wiener Zeitung" auf dem Stadtplatz: "Ich glaube, dass einmal ein anderer her gehört hat, so was schadet nie." Gravierende Fehler oder gar Skandale sind dem Bürgermeister, der auch in der Bundes- und Landes-FPÖ an vorderer Front mitmischt, nicht passiert, räumen selbst seine politischen Gegner ein. In der SPÖ ging vor 2015 nicht mehr so viel weiter: "Es ist ein frischer Wind einkumma", bilanziert eine Magistratsbedienstete. "Die alten Strukturen sind aufgebrochen worden."
Die SPÖ setzt mit Spitzen- und Bürgermeisterkandidatin Petra Wimmer auf eine Frau aus dem Nationalrat. Ziel sei die Stichwahl um das Bürgermeisteramt und die Zurückeroberung des ersten Platzes im Gemeinderat. "Dann werden wir die Gesprächspartner suchen", sagt SPÖ-Stadtparteichef Verkehrsstadtrat Klaus Schinninger selbstbewusst. In der Stadt wird nach dem bisherigen FPÖ-ÖVP-Abkommen über eine künftige blau-rote Zusammenarbeit gemunkelt. Die gibt es, was außerhalb Oberösterreichs kaum bekannt ist, seit 2015 mit einem Arbeitsübereinkommen zwischen SPÖ und FPÖ in der nahen Landeshauptstadt Linz. Er könne zwar "mit allen gut", erklärt Schinninger, aber zu etwaigen Koalitionen nach der Kommunalwahl beteuert er: "Wir haben darüber noch nicht geredet."
Während die ÖVP mit dem Polizisten Weidinger auf Sicherheit, die Lösung der auch in Wels akuten Verkehrsprobleme sowie Arbeit und Wirtschaft setzt, sind es für die SPÖ klassische roten Themen: Wohnen, soziale Gerechtigkeit, Arbeitsplätze und auch die Bewältigung des Verkehrs. Frontalangriffe auf den FPÖ-Bürgermeister sind von der SPÖ nicht zu erwarten: "Wir werden uns da nicht gegenseitig befetzen."
Grüne hoffen auf Einzug in den Stadtsenat
Der grüne Spitzen- und Bürgermeisterkandidat Rammerstorfer, der in Wien als parlamentarischer Referent im grünen Parlamentsklub tätig ist, kritisiert, dass rund 2.000 Wohnungen wegen Spekulationen in Wels leer stünden. Außerdem habe ein "Stopp" der Integrationspolitik die Schwierigkeiten im Zusammenleben noch verschärft. Die Grünen wollen mit Rammerstorfer nach rund acht Prozent mit elf bis zwölf Prozent auch den Einzug in den Stadtsenat dieses Mal schaffen. Ganz heimlich träumt er sogar vom Erreichen der Stichwahl um das Bürgermeisteramt. Die Neos haben bisher nur einen Sitz im Welser Gemeinderat.