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Annäherung an den Feind

Von Klaus Huhold

Politik

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un schlug zuletzt sanfte Töne an, was nicht bedeutet, dass er im Atomstreit Zugeständnisse macht.


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Washington/Seoul/Wien. Lange Zeit war der einzige Mensch aus dem Westen, der Diktator Kim Jong-un in Nordkorea traf, der frühere Basketballprofi Dennis Rodman. Kim ist ein großer Fan von Basketball und Rodman war exzentrisch genug, den Einladungen des brutalen Diktators und großen Feindes der USA zu folgen.

Sonst ging Kim Jong-un, der Ende 2011 die Herrschaft in Nordkorea nach dem Tod seines Vaters Kim Jong-il übernahm, auf Distanz zum Ausland. Er wollte sein Heimatland zunächst nicht verlassen, vermied selbst Besuche beim Verbündeten China. Das sorgte für weitere Unsicherheit in den ohnehin nervenaufreibenden Beziehungen zu Nordkorea: Keiner wusste über die Persönlichkeit von Kim Jong-un Bescheid, wie dieser Mann, der mit Mitte 20 (sein ganz genaues Alter ist nicht bekannt) an die Macht kam, tickt.

Das weiß man zwar bis heute nicht so genau. Allerdings spricht Kim mittlerweile mit hochrangigen westlichen Politikern. US-Präsident Donald Trump bestätigte am Mittwoch, dass der CIA-Chef und designierte Außenminister Mike Pompeo vergangene Woche Kim-Jong-un in Nordkorea besucht hat.

"Das Treffen lief sehr gut", verkündete Trump auf Twitter. Mit der Materie vertraute Diplomaten erklärten der Nachrichtenagentur Reuters, dass es bei der Zusammenkunft vor allem darum ging auszuloten, ob das anvisierte Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim Sinn ergibt.

Es ergibt Sinn, war offenbar das Ergebnis. Auch wenn sich Trump in seinen Verlautbarungen die Möglichkeit offenhielt, dass das Treffen noch platzt, laufen hinter den Kulissen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren.

Südkorea ist massiv bedroht

Ende Mai oder Anfang Juli soll der Gipfel stattfinden. Wo, das ist noch unklar, als Möglichkeiten genannt werden die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea, Stockholm, Genf oder die Mongolei.

Dass es überhaupt zu so einem Treffen - es wäre das erste zwischen einem US-Präsidenten und einem nordkoreanischen Staatsführer - kommt, ist eine beachtliche Wende in den Beziehungen der beiden Länder. Im vergangenen Jahr hatte Nordkorea sein Atomwaffenprogramm hochgefahren und mehrere Langstreckenraketen getestet, hatten Trump und Kim einander die Vernichtung angedroht.

Doch in seiner Neujahrsansprache erklärte Kim dann plötzlich, sein Land sei eine friedliebende Atommacht. Südkoreas Präsident Moon Jae-in nahm diesen Ball sofort auf. Er nutzte die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang, bei denen eine nordkoreanische Delegation mit Kim Jong-uns Schwester Kim Yo-jong zu Gast war, für eine diplomatische Annäherung an Nordkorea. Zudem haben südkoreanische Diplomaten im Hintergrund daran gearbeitet, Kontakte zwischen den USA und Nordkorea herzustellen.

Südkorea hat allen Grund, an einer Deeskalation interessiert zu sein. Dass Trump erwogen hat, auf Nordkoreas Aufrüstung militärisch zu reagieren, hat Seoul enorm beunruhigt. Schließlich drohen dem Land in so einem Fall massive Zerstörungen und hunderttausende Todesopfer.

Nun kann Südkorea weitere Vorarbeit leisten: Kommende Woche findet am 27. April ein Treffen zwischen Moon und Kim statt. Seoul hat dabei offenbar Großes vor. Man prüfe, "ob der Waffenstillstand auf der Koreanischen Halbinsel in einen Zustand des Friedens überführt werden kann", sagte nun ein hochrangiger südkoreanischer Regierungsvertreter. Dabei könnten die beiden Politiker sogar über eine Friedensvereinbarung verhandeln. Trump verkündete bereits, dass er dafür seinen Segen erteile.

Tappt Trump in eine Falle?

Allerdings gehört Südkorea nicht zu den Unterzeichnern des Waffenstillstandes, der 1953 nach drei Jahren den Korea-Krieg beendet hatte: Dieser wurde von Nordkorea und chinesischen Militärs auf der einen und den US-geführten UNO-Streitkräften auf der anderen Seite geschlossen. Südkorea verweigerte damals die Unterschrift - weshalb nun die Möglichkeiten Seouls eingeschränkt sind, dieses Waffenstillstandabkommen durch einen Friedensvertrag zu ersetzen.

Fraglich ist aber ohnehin, ob bei dem Treffen schon Konkretes beschlossen wird oder ob es nur der atmosphärischen Annäherung dient. Auf alle Fälle wird es aber Aufschluss darüber geben, wie weit Nordkorea nach den sanften Tönen Kims nun tatsächlich zu Konzessionen bereit ist.

Konservative Politanalysten in den USA warnen jedenfalls bereits davor, dass Trump in eine Falle tappt. Sie verweisen darauf, dass Nordkorea offenbar von den Sanktionen - bei denen zuletzt auch China immer stärker mitzog - hart getroffen sei. Schon in der Vergangenheit war Nordkorea, wenn es sich zu sehr in die Enge getrieben sah, zu Verhandlungen bereit. Das hat aber höchstens kurzweilig etwas am Aufrüstungsprogramm geändert, und die Gespräche platzten regelmäßig, nachdem Nordkorea Hilfsgelder kassiert hatte.

Trump hatte auch das Vorgehen seiner Vorgänger massiv kritisiert. Nun spricht er davon, dass eine Denuklearisierung Nordkoreas möglich sei. Für den selbsternannten Dealmaker wäre das außenpolitisch ein Riesenerfolg. Doch warum sollte Nordkorea abrüsten, wenn das Regime offenbar die atomare Abschreckung als seine Überlebensgarantie ansieht?

Derzeit stehen zwar die Zeichen in der Korea-Krise auf Deeskalation, doch das kann sich schnell wieder ändern. Trump wird mit Maximalforderungen in die Gespräche gehen - doch entscheidend wird sein, mit wie viel er sich zufriedengibt. In welchem Zeitrahmen er welche Schritte zur Abrüstung von Nordkorea fordern wird. Und ab wann er bereit ist, die US-Sanktionen zu lockern. Japans Premier Shinzo Abe, der derzeit bei Trump zu Gast ist und dessen Land ebenfalls von Nordkorea bedroht wird, drängte auf eine harte Linie.

Kim wiederum hat bereits Lektüre zur Vorbereitung auf das Treffen erhalten. Rodman schenkte ihm bei einem seiner Besuche Trumps Buch "The Art of The Deal".