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Abe trifft Xi: Japan und China wollen ihre Handelsbeziehungen ausbauen. Plötzlich ist sogar die Rede von Freihandel - dank Trump.
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Peking. Der Satz ließ aufhorchen. "Japanischer Reis ist sehr schmackhaft", sagte Chinas Präsident Xi jüngst in der russischen Hafenstadt Wladiwostok. So positiv hatte Xi sich noch nie über irgendetwas Japanisches geäußert - und dann gleich über Reis, der in Ostasien praktisch heilig ist. Japans Regierungschef Shinzo Abe hatte Xi zuvor aufgefordert, die Handelshemmnisse für Lebensmittel aus seinem Land zu senken. Diplomaten sahen Xis simplen Satz als Zeichen einer Trendwende in den Beziehungen zwischen den Rivalen in Fernost.
Fünf Wochen später zeigt sich, dass diese Einschätzung richtig war. Am Freitag reist Abe nach Peking. Xi wird ihn mit allen Ehren empfangen. Dutzende von Vertragsabschlüssen sind geplant - darunter auch ein Abkommen zur Öffnung des chinesischen Marktes für mehr japanische Lebensmittel. Wie viel Reis Japan nach China exportieren wird können, ist zwar noch unklar. Doch dass die Börsen Tokio und Shanghai gegenseitig Aktien des Partners ins Programm nehmen, um die Finanzmärkte enger zu verflechten, ist schon jetzt sicher.
Vertreter beider Seiten betonten die große Bedeutung des Treffens. Den Satz: "Japan ist ein wichtiger Nachbar", vernimmt man in Pekings Elite immer häufiger. Noch vor ein paar Monaten war das undenkbar. Nach einer kurzen Phase der Annäherung waren die Beziehungen in den vergangenen Jahren derart abgekühlt, dass der letzte Besuch eines japanischen Ministerpräsidenten sieben Jahre zurückliegt, der eines chinesischen Staatschefs in Japan acht.
Es herrschte gegenseitiges Misstrauen: Tokio warf Peking vor, sich fremde Meeresgebiete anzueignen, während China den Japanern Nationalismus und Arroganz unterstellte. Im Jahr 2012 ließ die chinesische Regierung sogar zu einer Welle von Demonstrationen gegen Japan zu. Sushi-Bars und Toyotas brannten; vor der Botschaft in Peking marschierten Bürger mit Mao-Porträts auf. Nur eine Minderheit der Einwohner beider Staaten halten die gegenseitigen Beziehungen für "gut" oder "auf dem richtigen Weg." Die Nachbarn sehen sich gegenseitig als Bedrohung. "Es gibt einen riesigen Unterschied in der Wahrnehmung", sagt Akio Takahara, Politologe an der Tokio-Universität. "China verweigert sich der Erkenntnis, wie sehr sich Japan seit dem Zweiten Weltkrieg verändert hat." Umgekehrt pflegt auch die japanische Öffentlichkeit ein Zerrbild vom bösen China.
Der Grund dafür, dass nun das Eis gebrochen ist, liegt gleichwohl nicht an der klugen Diplomatie Pekings oder Tokios - sondern an dem von Washington entfachten Handelskrieg. US-Präsident Donald Trump hat sowohl China als auch Japan als Exportsünder gebrandmarkt, die den ehrlichen Amerikanern mit hinterhältigen Praktiken die Jobs klauen. Das verbindet. Beide Länder begannen nach neuen Partnern zu suchen, die einen Rückgang des Amerika-Geschäfts ausgleichen können - und entdeckten in der bilateralen Zusammenarbeit noch brachliegendes Potenzial.
Das japanische Investmenthaus Nomura verzeichnet bereits einen kräftigen Anstieg der Exporte nach China. Besonders gefragt sind Maschinen für die Halbleiterherstellung und Autos. Japan ist sogar eines der wenigen Länder, die mit China einen Handelsüberschuss erzielen. Umgekehrt nutzen Japans Großkonzerne China als Produktionsbasis und investieren dort kräftig.
Nun ist sogar die Rede von einem japanisch-chinesischen Freihandel. Konkret könnte das Vertragswerk des Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) dafür den Rahmen bieten. Dabei handelt es sich um ein Handelsabkommen zwischen 16 asiatischen Ländern, das China angeleiert hat. Japan hat sich davon jedoch bisher bewusst ferngehalten. Abe zeige sich hier jedoch neuerdings deutlich zugänglicher, konstatiert Jiang Ruiping von der China Foreign Affairs University in Peking. Seit ein entsprechendes Freihandelsabkommen mit der EU unter Dach und Fach sei, habe der Premier politisch Luft, sich der China-Frage zuzuwenden. Damit treiben sowohl Japan als auch China, die gemeinsam fast die Wirtschaftsleistung der EU aufweisen, ihre Öffnung durch Verträge zwischen großen Gruppen von Ländern rasch voran.