Zum Hauptinhalt springen

Annäherung mit Schwächen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU räumt Misserfolge in ihrer Nachbarschaftspolitik ein - und will diese überarbeiten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Brüssel. Das Wort "Scheitern" soll zwar nicht fallen. Doch als großer Erfolg der EU kann deren bisherige Nachbarschaftspolitik auch nicht bezeichnet werden - nicht einmal von denen, die zu ihren heftigsten Befürwortern zählen. Das vor gut zehn Jahren entwickelte Konzept, einen Ring von befreundeten Partnerstaaten zu schaffen, die mit der Gemeinschaft durch Handelsbeziehungen aber auch die gemeinsame Stärkung demokratischer Strukturen verbunden sind, ist nicht wie geplant aufgegangen. Weder war es möglich, 16 so unterschiedliche Länder wie Algerien, Libyen oder die palästinensischen Gebiete und die Ukraine oder Georgien nach den gleichen Leitlinien zu unterstützen, noch ließen die Entwicklungen der letzten Jahre es zu.

Die Umstürze in nordafrikanischen Staaten vor vier Jahren, der Bürgerkrieg in Syrien, eine immer aggressiver werdende Außenpolitik Russlands, vom Truppeneinmarsch in Georgien 2008 bis hin zur Loslösung der Krim von der Ukraine - auf all das konnte die Nachbarschaftspolitik der Union nicht adäquat reagieren. Und auch die besonders von Polen forcierte östliche Nachbarschaft führte nicht zu einer Annäherung der Ukraine, wie es sich Warschau erhofft hätte.

Diese Schwächen räumt mittlerweile selbst die EU-Kommission ein. Die Politik "war nicht immer in der Lage, angemessene Antworten auf die aktuellen Entwicklungen oder die geänderten Erwartungen unserer Partner zu liefern", heißt es denn auch in einem Konsultationspapier.

Mit der Veröffentlichung des Dokuments starteten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn eine viermonatige Erörterung des Programms, das nun deutlich überarbeitet werden soll. Die Mitglied- und Partnerstaaten, aber ebenso Vertreter der Zivilgesellschaft, wirtschaftlicher und akademischer Kreise sowie internationale Organisationen sind eingeladen, ihre Vorstellungen einzubringen.

Ziel müsse es sein, den Ansatz einer Bevormundung oder gar Belehrung durch politischen Dialog zu ersetzen, meinte Hahn. Gleichzeitig betonte er, dass die EU dabei in ihrem eigenen Interesse handle: Zusammenarbeit bei der Stärkung der Energiesicherheit, der Regelung von Migration oder im Handel diene nämlich ebenfalls der Union.

Wie tiefgreifend die Änderungen in der Nachbarschaftspolitik sein sollen, dürfte selbst den Betroffenen noch nicht völlig klar sein. Das zeigt auch die Bandbreite des Fragenkatalogs zur Konsultation. Die Palette reicht von Überlegungen zur Hilfe bei wirtschaftlichen und administrativen Reformen über die Instrumente zur Kontrolle wie jährliche Prüfberichte bis hin zu möglichen Anpassungen im Krisenfall.

Wahrscheinlich ist allerdings, dass die Nachbarschaftspolitik aufgeteilt wird, den unterschiedlichen Bedürfnissen - sowie Problemen - der östlichen und südlichen Nachbarn entsprechend. Die Programme sollen flexibler werden, denn nicht alle Länder streben beispielsweise ein umfassendes Handelsabkommen mit der EU an, wie es die Ukraine, Moldawien und Georgien unterzeichnet haben.

Ob die Europäer für die Revision ihrer Nachbarschaftspolitik auch zusätzliches Geld zur Verfügung stellen, ist hingegen offen. Bisher sind für die 16 Partnerländer in den kommenden sechs Jahren Mittel in Höhe von etwas mehr als 15 Milliarden Euro vorgesehen.