Zypriotischer Präsident trifft am Dienstag Kofi Annan. | "Gescheiterte Friedensgespräche wären Katastrophe". | Türkei solle ihre Truppen abziehen. | "Wiener Zeitung":Was werden Sie UN-Generalsekretär Kofi Annan sagen? | Tassos Papadopoulos: Dass die Verhandlungen - zur Wiedervereinigung Zyperns - neu belebt werden sollen. Dass sein Sonderbeauftragter den Boden dafür bereiten soll.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wird Kofi Annan dazu bereit sein? Vor zwei Jahren war er es nicht.
Er ist daran interessiert. Aber im September hat er mir gesagt, es werde keinen neuen Versuch vor dem 3. Oktober geben, bevor eine Entscheidung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefallen ist. Nun wartet er unsere Parlamentswahl im Mai ab. Danach plant er, seinen Sonderbeauftragten nach Zypern zu schicken. Die Gespräche müssen gut vorbereitet sein, sonst werden sie scheitern. Das wäre eine Katastrophe.
Ein von der UNO ausgearbeiteter Plan zur Wiedervereinigung ist bereits gescheitert. Die griechischen Zyprioten haben ihn abgelehnt.
Aber nicht weil wir keine Lösung, keine Wiedervereinigung des Landes wollen. Der Annan-Plan hätte die Teilung betoniert und die Trennung der Volksgruppen fortgesetzt. So war etwa die Rückgabe von 18 Prozent des Grundbesitzes im Norden an griechische Zyprioten vorgesehen. Dabei gehören ihnen dort 88 Prozent des Bodens. Also würden 70 Prozent den türkischen Zyprioten bleiben.
Ist nun ein völlig neuer Plan notwendig?
Er muss die Sorgen der griechischen Zyprioten ernst nehmen. Andernfalls wird das Ergebnis beim nächsten Referendum das gleiche sein.
Welche Bedingungen müssen für ein positives Ergebnis erfüllt werden?
Alle Elemente einer fortgesetzten Trennung müssen entfernt werden. Wir können keinen zweigeteilten Staat haben mit unterschiedlichen Wirtschaftspolitiken, Gesellschaften, Institutionen. Wir sollten über einen einzigen Staat reden.
Das sagen die türkischen Zyprioten auch.
Das sagt sich sehr leicht. Aber jeder Schritt, den die türkischen Zyprioten unternehmen, unterstreicht ihren Wunsch nach Separatismus. Und vergessen Sie nicht, dass es die Republik Zypern ist, die international anerkannt ist. Den 700.000 griechischen Zyprioten stehen 77.000 türkische Zyprioten gegenüber. Die sollen einen eigenen Staat gründen?
Der Norden möchte eher eine Aufhebung des Embargos. Er will direkten Handel.
Was verstehen Sie darunter?
Dass etwa ein türkisch-zypriotischer Bauer seine Zitronen direkt an Österreich verkaufen kann.
Das kann er. Wir haben ein Abkommen, wonach Lebensmittelinspektoren die Pflanzen auch im Norden kontrollieren können. Es können die gleichen Zertifikate ausgestellt und EU-Standards erfüllt werden - wenn die dortige Handelskammer damit einverstanden wäre. Doch die türkischen Zyprioten wollen nicht über unsere Häfen und Flughäfen exportieren. Sie wollen die illegalen Häfen und Flughäfen im Norden legalisieren. Das hat nicht einmal wirtschaftliche Gründe, sondern rein politische.
Das kann der Süden unter keinen Umständen dulden?
Zypern akzeptiert nicht, wenn sich die türkischen Zyprioten als separater Staat innerhalb eines Staates präsentieren. Das akzeptiert auch die Europäische Union nicht. Laut Beitrittsabkommen ist ganz Zypern mit seiner gesamten Bevölkerung Mitglied der EU.
Welche Rolle soll die EU bei den Verhandlungen zur Wiedervereinigung spielen?
Die Gespräche werden unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen geführt. Europa will das Zypern-Problem nicht erben.
Das hat es aber bereits - mit der Aufnahme Zyperns in die EU.
Für die Gespräche wird der UNO-Generalsekretär verantwortlich sein. Die EU ist auch daran interessiert eine aktive Rolle zu spielen: Sie muss überprüfen, ob alle Vereinbarungen mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmen. Es kann zum Beispiel nicht heißen, griechische Zyprioten dürfen nicht reisen oder türkische Zyprioten dürfen nicht reisen. Das wäre gegen den Grundsatz des freien Personenverkehrs.
Die EU soll also nur Aufpasserin sein?
Sie hat Experten, die uns zur Seite stehen können - etwa beim Aufbau einer Zentralbank.
Welche Bedingungen muss die Türkei erfüllen, um eine Lösung zu ermöglichen?
Ich kann nicht alle Kapitel des Annan-Plans mit seinen 900 Seiten aufzählen. Er würde beispielsweise vorsehen, dass die Türkei ihre Truppen auf Zypern weiter stationieren kann. Doch kein Staat ist mit fremden Truppen auf seinem Gebiet einverstanden.
Der Konflikt dauert nun fast 50 Jahre. . .
Ja, und?
Die Türkei sagt, sie zieht ihre Truppen nicht ab, bevor es eine Lösung gibt. Zypern sagt, es gibt keine Lösung, bevor die Türkei ihre Truppen abzieht. Wie geht es weiter?
Es ist doch nicht argumentierbar, dass die Türkei einmal der EU beitritt und gleichzeitig verlangt, ihre Truppen auf Zypern zu behalten.
Wäre das ein Grund die Beitrittsverhandlungen mit Ankara zu stoppen? Wann würde Zypern von seinem Vetorecht Gebrauch machen?
Erwarten Sie, dass ich Ihnen jetzt ein Datum nenne? Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, dass wir die Orientierung der Türkei in Richtung Europa be grüßen. Doch wie jeder Kandidatenstaat muss die Türkei ihre Verpflichtungen gegenüber der EU - und damit auch Zypern - erfüllen. Wenn sie das nicht tut, wird es nicht Zypern sein, das die Aufnahme ablehnt, sondern die Europäische Union.
Zu den Bedingungen der EU für Ankara gehört die Öffnung türkischer Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge. Bisher wurde das nicht erfüllt, ebenso wenig die Forderung nach Anerkennung der Republik Zypern.Das ist eine andere wichtige Frage: Wie kann jemand einem Klub beitreten wollen und gleichzeitig dessen Mitglieder nicht anerkennen?
Als Zypern der EU beigetreten ist, gab es auch kritische Stimmen. War es ein Fehler von der EU, ein geteiltes Land aufzunehmen, bevor es selbst eine Lösung gefunden hat?
Wäre Zypern nicht aufgenommen worden, weil sich die Türkei quer gelegt hat, hätte Ankara ein Vetorecht ausgeübt ohne überhaupt Mitglied der EU zu sein. Die Türkei würde doch auch nicht über den EU-Beitritt Bulgariens entscheiden. Außerdem einigten sich die EU-Staaten auf eine Erweiterung um zehn Länder - ohne Zypern gäbe es keine Erweiterung.
Gibt es konkrete Pläne für die Restitution von Eigentum, das die Menschen auf ihrer Flucht 1974 zurückgelassen haben?
Das Recht auf Eigentum ist ein persönliches Recht. Wenn also ein Grundbesitzer nicht sein Land bekommt, kann er vor Gericht ziehen. Dieses entscheidet, ob er sein Land oder eine Entschädigung bekommt. Aber der Annan-Plan hat vorgesehen, dass Zypern für die Restitutionen im nicht-militärisch genutzten Gebiet im Norden selber aufkommt. Sie haben unser Land gestohlen, es vierzig Jahre lang genutzt und erwarten nun, dass die Entschädigung wir selbst zahlen. Der Wert des Besitzes von griechischen Zyprioten im Norden liegt bei rund 16 Milliarden Euro. Unser jährliches Budget beträgt 2,5 Milliarden.
Der Annan-Plan ist aber abgelehnt - das steht also nicht mehr zur Debatte.
Sie fragten mich danach, wie ein neuer aussehen soll. All diese unfairen Bestimmungen müssten entfernt werden.
Zur Person
Tassos Papadopoulos (72) ist bereits seit den 50er-Jahren politisch aktiv - damals kämpfte er gegen die britische Kolonialherrschaft. Nach der Unabhängigkeitserklärung Zyperns 1960 war er in verschiedenen Ministerämtern tätig. 2000 wurde der Rechtsanwalt Vorsitzender der Demokratischen Partei, drei Jahre später Präsident der Republik Zypern (die Türkische Republik Nordzypern, die etwa ein Drittel der Insel einnimmt, wird nur von der Türkei anerkannt). Er ist verheirateter Vater von vier Kindern.