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Das Bild hat bei großen Infrastrukturprojekten fast schon Tradition. Immer wieder wehren sich Anrainer, Naturschutzgruppen, Gemeinden oder Parteien gegen das Vorhaben. Oft gleicht ihr Engagement dem sprichwörtlichen Kampf gegen die Windmühlen. Zuletzt hat sich ein Hausbesitzer in der Wiener Leopoldstadt gegen das Bohren eines U-Bahn-Tunnels unter seiner Immobilie quergelegt.
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Ob es sich dabei um bewusste Spekulation handelte - der Betroffene hat das Grundstück erst 2004 erworben - oder nicht, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass er die U-Bahn-Bauer in Bedrängnis gebracht hat, soll die U2 doch bis zur Fußball-Europameisterschaft in zwei Jahren das Ernst-Happel-Stadion im Prater erreichen.
In Bedrängnis sind auch andere Infrastruktur-Errichter, etwa die für das Stromnetz zuständige Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG). Seit Jahren wartet die APG auf die Genehmigung zur Fertigstellung ihrer 380-Kilovolt-Leitung zwischen dem Burgenland und der Steiermark. Kommt das OK nicht bald, drohen im Süden Österreichs Stromausfälle und höhere Energiepreise, warnt APG-Chef Heinz Kaupa gebetsmühlenartig. Bisher vergebens, denn die Umweltverträglichkeitsprüfung wird durch ständig neue Anträge auf weitere Gutachten in die Länge gezogen.
Verständnis dafür kann Kaupa nicht mehr aufbringen. "Wir würden schon meinen, dass die öffentlichen Interessen eine sehr große Rolle spielen müssten", pocht er.
Wo das private Recht aufhört und das öffentliche Interesse beginnt, ist in einem Rechtsstaat aber nur schwer festzumachen. Einem von beiden den Vorzug zu geben, fällt nicht immer leicht, ist doch auch der Umwelt- und Naturschutz ein öffentliches Interesse. Außerdem lassen mögliche Gefahren für Leib und Gesundheit Politiker oft vor Entscheidungen zurückschrecken.
Um hier Abhilfe zu bringen, wurden komplexe Verfahren wie die Umweltverträglichkeitsprüfung geschaffen. Möglichst alle Betroffenen sollen sich einbringen können, möglichst alle Gesichtspunkte sollen berücksichtigt werden. Dazu kommt der in einem Rechtsstaat selbstverständliche Instanzenzug. Vor allem die Grün-Bewegung hat sich intensiv gegen zu viel grauem Beton statt grüner Natur gewehrt.
"Es war der Trend der letzten 20 Jahre, vielleicht bis vor fünf Jahren, der die Nachbarschaftsrechte sehr stark betont hat", meint dazu der Verfassungsrechtler Heinz Mayer. "Unzählige Parteienstellungen" und "komplizierte Verfahren" seien die Folge. "So kompliziert müsste es aber nicht sein", ergänzt der Jurist.
Mit langen Verfahren ist tatsächlich niemandem gedient. Nicht den Anrainern, die viel Zeit und Energie in ihren Kampf stecken, nicht den Projektbetreibern, die Anwälte und Gutachter bezahlen müssen, und nicht der Öffentlichkeit. Die Infrastruktur wird später fertig. Und weil das lange Verfahren bezahlt werden muss, steigen meist die Kosten.