Wirtschaftskammer pocht mit Plakaten auf Öffnung der Anrainerparkplätze. Die Bezirke sind dagegen.
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Wien. Eine Frau lacht von einem Plakat. Es ist Anna-Lena, eine Anrainerin aus der Josefstadt. "Es gibt genug Parkplätze für alle", ist ihre Botschaft. Anna-Lena ist einer der Werbegesichter der neuen Kampagne der Wirtschaftskammer. Die Forderung ist nicht zu übersehen: Die Wirtschaftskammer pocht auf eine rasche Öffnung der Anrainerparkplätze für alle - und zwar, wie es im Mai mit der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou vereinbart wurde, im Zeitraum von 8 bis 16 Uhr. "Es soll ein kleiner Fingerzeig sein", sagt Wiens Wirtschaftskammer Präsident Walter Ruck, der sich schnell korrigiert und meint "eine kleine Erinnerung".
Laut Wirtschaftskammer gebe es eine unterzeichnete und gültige Vereinbarung mit der Stadt Wien und jetzt gelte es, diese Vereinbarung umzusetzen. "Wir wollen die Stadt daran erinnern, dass sie uns, den Menschen und der Wirtschaft, im Wort ist", sagt Ruck bei der Plakat-Präsentation. "Ich wohne selbst im 1. Bezirk und ich erlebe es tagtäglich, dass tagsüber die Parkplätze frei sind. Wir halten die Öffnung der Anrainerparkzone für eine effiziente Nutzung des öffentlichen Raumes, denn öffentlicher Raum gehört uns allen", so Ruck. Bei diesem Thema werde mit sehr viel Missverständnissen gearbeitet, ob bewusst, sei dahingestellt, und diese Kampagne solle dazu dienen, die Missverständnisse auszuräumen.
Ruck sieht Vassilakou in der Verantwortung. "Ich bin kein Jurist und möchte mich nicht aufs Glatteis begeben, in einem Gebiet, in dem ich fachlich nicht zu Hause bin. Aber so weit mir das von unseren Experten und auch von jenen der Vizebürgermeisterin Vassilakou gesagt wurde, liegt es nicht im Kompetenzbereich der Bezirke, dies zu entscheiden. Das ist eine Verordnung, die die Frau Vizebürgermeisterin erlassen muss, und sie hat gesagt, sie werde es tun", sagt Ruck.
"Gegen die Stadtverfassung"
Die betroffenen Bezirke sehen das anders. Ohne ihre Zustimmung sei eine Umsetzung nicht möglich. "Es ist gegen die Stadtverfassung. Es muss ein Beschluss der Bezirke vorliegen, denn diese würden auch die Kosten tragen", heißt es aus dem ersten Bezirk, der sich bereits im Juni klar geäußert hat, die Anrainerparkplätze tagsüber nicht zu öffnen. "Der erste Bezirk hat Anfang des Jahres eine Evaluierung beschlossen. Dabei wird in fünf Monaten, jeweils eine Woche lang, dreimal am Tag die Auslastung der Anrainerparkplätze im Ersten erhoben. Die mehrfach von Vassilakou erwähnten Zahlen, wonach die Parkplätze tagsüber nicht ausgelastet sind, haben wir trotz mehrfacher Nachfrage bis heute nicht", erklärt Markus Figl, ÖVP-Bezirkschef in der Inneren Stadt.
Die Anrainerparkplätze seien ein Erfolgsmodell. "Der Vorschlag von Vassilakou zur Abschaffung kam für uns sehr überraschend und war keineswegs mit den Bezirken akkordiert. Dieser Stil verärgert Bezirksvorsteher von unterschiedlichen Parteien. Es gibt einen einstimmigen Beschluss im Bezirksparlament gegen die vorgeschlagene Abschaffung. Wir werden diese Abschaffung daher nicht umsetzen", so Figl. Auch von den anderen acht betroffenen Bezirken gibt es ein klares Nein.
Weitere Gegenstimmen
"Wir hoffen zwar auf eine konstruktive Lösung, aber sind gegen den derzeitigen Vorschlag, die Anrainerparkplätze zu öffnen. Wir können uns jedoch eine Öffnung für Unternehmer vorstellen", sagt wiederum Isabelle Uhl, grüne Bezirksvorsteher-Stellvertreterin in Neubau. In dieselbe Kerbe schlägt Mariahilfs SPÖ-Bezirkschef Markus Rumelhart. "Ich bin sehr irritiert von der Kampagne der Wirtschaftskammer. Denn es wurde vereinbart, dass wir die Gespräche im Herbst mit der Wirtschaftskammer und der Vizebürgermeisterin weiterführen", sagt Rumelhart zur "Wiener Zeitung" und führt weiter aus: "Alle betroffenen Bezirke haben sich eindeutig negativ zu der geplanten Abschaffung des Anrainerparkens, geäußert. Wir werden dem nicht zustimmen."
Rumelhart könnte sich jedoch prinzipiell eine Öffnung für Handwerksbetriebe oder soziale Dienste vorstellen. "Das ist zwar in der derzeitigen Form aufgrund der Straßenverkehrsordnung nicht zulässig, aber eine Änderung der Straßenverkehrsordnung ist ja auch bei den Begegnungszonen möglich gewesen", betont der Mariahilfer Bezirksvorsteher, der die nächste Gesprächsrunde im Herbst abwarten möchte - ebenso wie Neubaus grüne Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Isabelle Uhl.
Zurückhaltung
Das Büro von Maria Vassilakou gibt sich bedeckt. Nur so viel lässt die grüne Vizebürgermeisterin über ihren Sprecher ausrichten: "Von unserer Seite gilt: Wir wollen die Öffnung im Herbst und eine gemeinsame Vorgangsweise. Entsprechend wurde im letzten Gespräch vereinbart, weitere Gespräche zu führen."
Auf die Frage, ob es nun im Kompetenzbereich der Bezirke liege, die Öffnung der Anrainerparkplätze zu beschließen oder nicht, und ob Vassilakou eine Verordnung erlassen und damit über den Kopf der Bezirke entscheiden werde, gibt man sich bewusst kryptisch. "Die Kundmachung einer Verordnung erfolgt durch die Aufstellung der entsprechenden Tafeln", heißt es.
Rumelhart geht jedenfalls nicht davon aus, dass die Bezirke übergangen werden. "Das wäre ein Präzedenzfall. Wir wollen zukünftig auch weitere Projekte gemeinsam umsetzen", sagt er.