An der Debatte über die Bestellung von Niko Pelinka im ORF zeigt sich ein Werteverfall, den alle Lager schon lange betreiben.
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Die Kultur, für die Figuren wie Christian Wulff oder Karl-Theodor zu Guttenberg stehen, haben wir auch in Österreich. Hierin treffen sich alle Lager: die einen etwas verfeinert, halbgebildet, besser kaschiert (Mitte-Rechts und Mitte-Links), die andern etwas gröber, dumpfer (Rechts, Rechts-Außen). Allen gemeinsam ist das veränderte Verständnis von Verantwortung, wie es die Schönlinge in Deutschland beweisen. Klientelpolitik, Klüngelwirtschaft, Freunderlpartien sind hierzulande so üblich, dass jene, die sich doch noch aufregen, der unlauteren Erregung geziehen werden, der unrealistischen Übertreibung.
Letztes Musterbeispiel dieser Misere ist der Fall ORF & Niko Pelinka. Das Theater erhielt nun eine Draufgabe durch Apologeten, die Pelinka, dem einen Opfer, zur Seite sprangen. Und "News" schießt aus allen Rohren auf eine Frau, die es früher lobte: Elfriede Jelinek. Sie ist nun eine "völkische Beobachterin", die im Nazistil für Entsorgung und Endlösung plädiere, so "News", weil sie in einem Deutsch und Stil schreibt, der die Auffassungsgabe der dort bestellten Journalisten zu übersteigen scheint. Und weil sie die Sozialdemokratie angreift. Weil sie die Kultur des Als-ob, des Gestellt- und Bestelltseins bloßstellt und beim Namen nennt. Doch Jelinek liefert ein treffendes Kulturbild, das an Karl Kraus erinnert. Ihr Anliegen ist aus dem Gegenteil dessen gespeist, woran die Apologeten sie jetzt aburteilen. All das entspricht der unsäglichen Haltung jener "Aufrechten", die schon Andreas Wabl als Nazi verurteilten, weil er im Parlament eine Hakenkreuzfahne entrollte, obwohl völlig klar war, was damit gemeint war.
Jetzt fordert Politikwissenschafter Anton Pelinka, der ORF-Chef müsse sich doch, wie in der Wirtschaft, wirklich seinen Büroleiter aussuchen dürfen - Ausschreibung hin oder her. Die SPÖ beweist mit ihrer Politik, dass sie eben allen eine Chance gibt. Würden Leute wie Niko Pelinka nicht bestellt, wäre das ein Nachgeben, ein falsches. Der Onkel titulierte seinen Artikel "Falsche Häme". Immerhin sagt er damit, dass es eine richtige gäbe. Schade, dass er uns nicht sagt, welche.
Die Logik ist klar: Aufgrund seiner Herkunft darf niemand benachteiligt werden. Um das zu beweisen, müssen noch mehr Nachwuchs, Freunde und Bekannte in hohe Stellungen gehievt werden. Sonst müsste ja der Verdacht entstehen, man verletze den Gleichheitsgrundsatz und gäbe anderen den Vorzug.
Aber darin liegt auch ein Trick, eine Chuzpe. Das funktioniert nur dort, wo angenommen wird, dass nicht Leistung und Qualifikation gelten, sondern Beziehungen. Der Rekurs auf Gleichheit liefert einen dem infiniten Regress aus. Jede Entscheidung kann mit Verweis auf andere mögliche beeinsprucht werden. Der ganze Zirkus bliebe aus, hätten wir eben eine andere Kultur, in der Qualifikation und Offenheit noch gälten. Dass wir sie nicht haben, ist ein Resultat einer Kulturentwertung über einen zielstrebig betriebenen Werteverfall, den alle politischen Lager schon lange betreiben. Trotz schön oder heftig klingender Worte, je nachdem, was momentan angesagt ist. Also: kein Pardon, kein Mitleid!