Beim internationalen Warenhandel einigen sich unternehmerisch tätige Parteien fast immer auf die Anwendung von Incoterms.
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Beinahe eine ganze Woche lang blockierte das Frachtschiff "Ever Given" im März den Suezkanal, die schnellste und kürzeste Seehandelsroute zwischen Asien und Europa. Obwohl der Frachter inzwischen befreit und der Kanal wieder für den Schiffsverkehr freigegeben wurde, werden die Folgen der Blockade noch über Monate zu spüren sein. Schließlich hatte diese einen Stau von knapp 400 Schiffen zu Folge. Weltweit werden zahlreiche Liefertermine nicht eingehalten werden können.
Abgesehen davon, wer für die Bergung und die Schäden am Suezkanal aufzukommen hat und inwieweit die Eigentümer von "Ever Given" haften, stellt sich für Vertragsparteien internationaler Warenkaufverträge die Frage, welche Auswirkungen die Blockade auf ihre gegenseitigen Leistungspflichten hat. Speziell Käufer verspätet eintreffender Waren werden sich fragen, gegen wen sie Ansprüche geltend machen können.
Auch bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus internationalen Kaufverträgen ist das Vereinbarte entscheidend. Beim internationalen Warenhandel einigen sich unternehmerisch tätige Parteien fast immer auf die Anwendung von Incoterms. Dabei handelt es sich um vorformulierte Bestimmungen zur Regelung der jeweiligen Parteipflichten und Risiken betreffend Transport und Lieferung. Beim Seetransport werden sehr häufig die Terms CIF (Cost Insurance Freight) und FOB (Free On Board) beziehungsweise FAS (Free Alongside Ship) vereinbart.
Zahlung des Kaufpreises mit dem Empfang der Dokumente
Bei CIF Vereinbarungen geht die Pflichtenverteilung klar zu Lasten des Verkäufers. Zum einen hat dieser vertragsgemäße Ware zu verschicken. Zum anderen hat der Verkäufer den Transport der Ware auf eigene Rechnung zu organisieren und auf eigene Kosten einen Versicherungsvertrag mit verkehrsüblicher Deckung abzuschließen. Der Verkäufer hat dann dem Käufer die entsprechenden Frachtdokumente zu übermitteln. Die zentrale Verpflichtung des Käufers besteht in der Zahlung des Kaufpreises, der die Kosten für Transport und Versicherung mitberücksichtigt. Wichtig ist, dass die Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug mit dem Empfang der Dokumente durch den Käufer erfolgt und nicht erst wenn die Ware einlangt.
Im Gegensatz dazu hat bei FOB Verträgen der Käufer den Transport und eine entsprechende Versicherung grundsätzlich selbst zu organisieren und die Transportkosten bzw. Versicherungsprämien zu begleichen. Der Verkäufer trägt demgegenüber sämtlichen Aufwand bis zur Verladung der Ware auf dem vom Käufer bekanntgegebenen Schiff. Der Kaufpreis beinhaltet nur den Warenpreis und wird mit Verladung der Ware fällig.
Vergleichbar mit FOB übernimmt der Verkäufer bei der Vereinbarung der FAS Klausel sämtlichen Aufwand sowie gänzlich Kosten und Risiken, bis die Waren "an der Längsseite des Schiffs" angekommen sind. Dieser hat jedoch nicht für die Verladung zu sorgen. Von hier an trägt der Käufer die Risiken und muss sich um die Verladung und den Transport kümmern.
Wann es keine Ansprüche gegen den Verkäufer gibt
Solange die Frachtdokumente einwandfrei sind, muss der Käufer bei der Vereinbarung von CIF auch dann zahlen, wenn die Ware auf dem Transport beschädigt wird, verloren geht, oder wie im Fall der Suezkanal-Blockade verspätet eintrifft. Hier kann der Käufer nur versuchen, sich aus dem Transportvertrag bzw. dem Versicherungsvertrag beim Transporteur oder der Versicherung schadlos zu halten, nicht jedoch beim Verkäufer. Dieser hat nach Versendung der notwendigen Dokumente an den Käufer sämtliche Pflichten erfüllt und kann den Kaufpreis fordern.
Ähnliches gilt bei Vereinbarung von FOB beziehungsweise FAS Klauseln. Mit der Verladung bzw. Ablieferung der Waren beim Schiff gehen Verantwortung und Risiken auf den Käufer über. Auch hier kann sich dieser bei Beschädigung, Verlust oder Verspätung der Ware keine Ansprüche gegen den Verkäufer und kann sich für Entschädigung nur an den Transporteur bzw. die Versicherung halten.
Anderes kann selbstverständlich dann gelten, wenn die Parteien besondere Vereinbarungen getroffen haben. Insbesondere kann der Verkäufer dann ersatzpflichtig werden, wenn dieser eine bestimmte Ankunftszeit zugesagt hat.
Die Blockade als Akt höherer Gewalt?
Ob sich der Käufer wegen ihm aus der Verspätung erwachender Schäden an den Transporteur oder die Versicherung wenden kann, hängt in erster Linie vom abgeschlossenen Transport- bzw. Versicherungsvertrag ab.
Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob die Kanal-Blockade nicht als Akt höherer Gewalt einzuordnen ist. Unter einem Akt höherer Gewalt wird grundsätzlich ein von außen kommendes Ereignis verstanden, das die Parteien bei Vertragsschluss nicht vorhersehen konnten und dessen Folgen vernünftigerweise auch nicht zu verhindern war. Bei Vereinbarung einer Force Majeure Klausel würde ein Akt höherer Gewalt den Lieferverpflichteten für den Zeitraum des Andauerns von der Leistungspflicht und auch von der Haftung für Verspätungen befreien.
Bei der Geltendmachung von Verspätungsansprüchen ist für Empfänger internationaler Warenlieferungen somit guter Rat teuer.