Dreistellige Millionenhöhe der Forderungen für AeW zu hoch. | Anlegeranwälte fordern Verzicht auf Verjährung. | Wien. Für die rund 12.500 geschädigten AvW-Genussscheinzeichner geht es am Dienstag ans Eingemachte. Die Anlegerentschädigung der Wertpapierfirmen (AeW) lädt die AvW-Anlegeranwälte zu einem Krisengipfel nach Wien, nachdem vergangenen Mittwoch die Anmeldefrist für die Entschädigungsansprüche abgelaufen ist.
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Denn: Die AeW, die eigentlich spätestens sechs Monate nach dem Zusammenbruch einer konzessionierten Wertpapierfirma die Anleger mit bis 20.000 Euro entschädigen hätte müssen, lehnt die Forderungen der AvW-Kunden ab. Fakt ist, dass die AeW gar nicht zahlen kann.
"Die AeW ist unter den aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen nicht im Stande, die AvW-Anleger zu entschädigen, wenn den Anlegern die Entschädigung gerichtlich zugesprochen würde", sagt AeW-Geschäftsführer Johannes Gotsmy. In diesem Fall müsste die Republik mit einer Staatshaftung einspringen. Das Entschädigungsvolumen für die AvW-Kunden dürfte sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag einpendeln, theoretisch könnte es bis zu 250 Millionen Euro betragen. Indes sucht Gotsmy mit den Anlegeranwälten eine Verhandlungsbasis zur rechtlichen Abklärung der Geschädigtenansprüche. Sie sollen Musterklagen einbringen
In einem neunseitigen Schreiben listet AeW-Anwalt Andreas Zahradnik die Gründe auf, warum die AeW nicht zahlt: Da die AvW-Genussscheininhaber nur am Liquidationserlös von AvW beteiligt sind, haben diese Genussscheine Eigenkapitalcharakter und diese seien wie Schuldverschreibungen von einer Entschädigungsleistung ausgeschlossen. Weiters werden Zahlungen an die AvW-Kunden auch deshalb abgelehnt, weil die AvW Invest AG keine konzessionierte Wertpapierfirma mehr sei. Denn nach Platzen des AvW-Skandals im Oktober 2008 hat Wolfgang Auer-Welsbach die Wertpapierkonzession "freiwillig zurückgelegt". "Das Gesetz sieht eine Haftung für ehemalige Wertpapierfirmen nicht vor", behauptet der AeW-Advokat.
"Das ist ein Schwachsinn, es gibt Nachhaftungen, damit könnte ich jedes Entschädigungssystem aushebeln", kontert Anlegeranwalt Harald Christandl. "Ich bin immer für ökonomische Lösungen, aber ich bin nur dann bereit, die Musterprozessvariante zu akzeptieren, wenn mir Sicherheiten gegeben werden, dass gewonnene Urteile erfüllt und meine Mandanten das Geld erhalten werden."
Riskante Vereinfachung
"Das erste Ziel muss eine vernünftige Lösung hinsichtlich des Verjährungsverzichts sein", sagt Franz Kallinger, Vorstand des Prozessfinanzierers AdvoFin. "Sammelklagen hält die AeW sowieso nicht aus." Gibt es keinen Verjährungsverzicht müssten die Anleger ihre Ansprüche innerhalb von drei Jahren nach Platzen des AvW-Skandals einklagen. Die Klagsfrist könnte bereits am 15. Oktober 2011enden. Anwalt Erich Holzinger, der 1600 AvW-Geschädigte vertritt, erwartet von der AeW mehr Bewegung.
"Wenn ich mit Musterklagen vorgehen soll, dann will ich einen unbefristeten Verjährungsverzicht", sagt Holzinger. "Und ich will, dass die AeW und die Republik bestätigten, dass sie keinen Einwand gegen die einfache Forderungsanmeldung im Konkursverfahren vorbringen."
Zur Erklärung: Die AvW-Masseverwalter wollen verhindern, dass die 12.500 Geschädigten in beiden AvW-Konkursen (AvW Invest AG, AvW Gruppe AG) ihre Forderungen anmelden müssen. Sie wollen die zwei Massen - 106 Millionen Euro sind im Verteilungstopf - zusammenlegen. Die Forderungen sollen demnach nur im Verfahren der AvW Gruppe geltend gemacht werden, die keine Wertpapierkonzession hatte.
Das könnte sich negativ auf die Anlegeransprüche gegen die AeW auswirken. Die Anwälte haben Sorge, dass die AeW die Ansprüche ihrer Mandanten ablehnen könnte, wenn diese nicht im Insolvenzverfahren der Ex-Wertpapierfirma AvW Invest angemeldet werden. AvW-Anlegeranwalt Wolfgang Haslinger geht auf Nummer sicher: "Wir werden in beiden Verfahren anmelden."