Im Vorblatt steht "Klarstellungen und Zitierungskorrekturen". Das Abgabenänderungsgesetz 2002, das in der Vorwoche vom Ministerrat abgesegnet wurde, ist tatsächlich kein legistischer Kraftakt. Dennoch lässt der kleine Artikel VII des Entwurfs Steuerzahler und (vor allem) Steuerberater aufatmen. Die geplante "Änderung der Bundesabgabenordnung" betrifft das System der steuerlichen Anspruchszinsen. Diese Zinsen verlangt der Fiskus ab einem bestimmten Zeitpunkt bis zur Herausgabe der Steuerbescheide. Der bestimmte Zeitpunkt ist heuer im Gesetz mit dem 1. Juli des jeweiligen Folgejahres fixiert. Nun soll er um drei Monate hinausgeschoben werden: auf den 1. Oktober.
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Anspruchszinsen gibt es seit dem Steuerjahr 2000. Die Bundesabgabenordnung sieht dazu als Beginn des Verzinsungszeitraumes den 1. Juli des jeweiligen Folgejahres vor.
Das wäre für das Steuerjahr 2000 der 1. Juli 2001 gewesen; der Zinsenlauf hätte bis zur amtlichen Steuerfestsetzung, also bis zur Herausgabe der bezüglichen Steuerbescheide gedauert. Allerdings wurde anlässlich der Installierung des neuen Verzinsungssystems - sozusagen als Einführungspräsent - der erste Zinsenstart-Termin auf den 1. Oktober 2001 verlegt; erst für die Ertragsteuerbescheide 2001 und die folgenden sollte jeweils der 1. Juli des Folgejahres gelten.
Vorteil durch Steuer-Akonto
Sinn der neuen Steuerzinsenaktion des Fiskus war es, die lahme Steuererklärungspraxis der Bürger (und die dadurch verursachte späte Steuereinholung) zu beschleunigen. Wer mit seinem Steuerbekenntnis zurückblieb (oder es wegen einer zu erwartenden Steuernachzahlung künstlich einbremste), sollte Strafzinsen bezahlen, die man mit dem neutralen Begriff Anspruchszinsen verbrämte.
Verspätete Richtlinien
Um den Spätlingen unter den Steuerzahlern aber doch noch eine Alternative zu bieten, wurde (und wird) die Möglichkeit einer "Vorfinanzierung" vorgesehen. Wer dem Finanzamt angesichts einer befürchteten Steuernachzahlung eine entsprechende Akontozahlung hinblättert, kann der Belastung mit Anspruchszinsen insoweit entgehen. Es steht heute außer Frage, dass zahlreiche Zensiten dieser fiskalischen Einladung vielfach auf Anraten ihrer Wirtschaftstreuhänder nachkamen und so zu einem nicht geringen Ausmaß mithalfen, des Finanzministers Null-Defizit mit zu ermöglichen. Freilich ist der Zinsengewinn der Finanz im ersten Jahr nicht besonders beeindruckend gewesen.
Der von der Kapitalmarktentwicklung abhängige Zinsfuß, der ursprünglich mit kontokorrentmäßigen 6,25% p.a. angenommen worden war, rutschte zum Starttermin auf knappe 4,75% ab.
Die Einführung der Anspruchszinsen stieß verständlicherweise auf massive Kritik der Wirtschaft. Wie schwer sich aber der Fiskus selbst mit dem neuen Strafzinsensystem zurechtfand, zeigte sich schon an dem von Finanzministerium herausgegebenen Richtlinienerlass. Der zehn enggesetzte Druckseiten umfassende Ukas konnte erst am 14. November 2001 veröffentlicht werden - zwei Wochen nach dem ersten Zinsenstart.
Protest der Steuerberater
Klarerweise ging die neue Zinsenstrategie vor allem den Steuerberatern unter die Haut. Nach schneller Schätzung lassen fast 75% der betrieblichen und privaten Steuerpflichtigen ihre Jahressteuererklärungen von den Treuhändern ausarbeiten, weshalb es für diese Berufsgruppe auch eine weitgespannte Einreichfristen-Vereinbarung mit der Finanz gibt, die bis Ende April des Zweitfolgejahres reichen kann. Die drohende Zinsenvorschreibung führte erwartungsgemäß zu einem Druck der Steuerzahler auf ihre Berater, deren Kanzleiorganisation freilich nur in Ausnahmefällen Arbeitsplanänderungen zugestehen konnte. Der im Gesetz erstmals für die Steuererklärungen 2001 vorgesehene Zinsenstarttermin 1. Juli 2002 hätte für die Parteienvertreter vollends zu einer fatalen Situation geführt.
Diese bedrohliche Vision soll nun durch das eingangs erwähnte Änderungsgesetz entschärft werden. Die Treuhänder, freilich nicht nur sie, dürfen aufatmen: es wird auch künftig beim Zinsenstart am folgenden 1. Oktober bleiben; für das Steuerjahr 2001 also am 1. Oktober 2002.
Zinsen in der Steuerfalle
Bei dieser Gelegenheit soll auch noch eine andere Streitfrage gütlich beigelegt werden: die steuerliche Behandlung der Anspruchzinsen selbst.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz nicht nur eine Verzinsung zulasten der Steuerzahler vorsieht, sondern auch eine zu ihren Gunsten. Zeigt sich nämlich, dass sich aus einem Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid anstelle einer Nachzahlung eine Gutschrift ableitet (etwa weil die seinerzeitigen Steuervorauszahlungen überhöht waren), dann wird auch diese Gutschrift verzinst: zu Gunsten des Steuerpflichtigen und mit dem gleichen Zinsfuß wie eine Nachzahlung.
Steuerfreie Gutschriftzinsen
Es gibt also Nachforderungszinsen und Gutschriftzinsen, was zu der Frage führt: wie sind diese Zinsen steuerlich zu qualifizieren? Sind die einen steuerabsetzbar und die anderen selbst wiederum steuerpflichtig?
Die ursprüngliche fiskalische Lösung stand zwar für nicht absetzbare Lastschriftzinsen, aber für voll steuerpflichtige Gutschriften, letztere freilich ohne die Gnade der Endbesteuerung.
Auch hier scheint vor allem der Protest der Steuerberater Gehör gefunden zu haben, die den ungleichen Umgang mit den Zinsen kritisierten. Wer schon vormals zu hohe Vorauszahlungen geleistet hatte, sollte dafür nicht auch noch Zinsen versteuern müssen, hieß es.
Diesem Argument konnte sich auch die Finanz nicht verschließen. In der vierten Neufassung der neuen Einkommensteuerrichtlinien heißt es nun in der Randziffer 4852: "Nachforderungszinsen sind nicht abzugsfähig. Gutschriftszinsen sind nicht steuerpflichtig". Irgendwann werden wir mit den Anspruchszinsen leben können.