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Ansturm auf die Wahllokale im Iran

Von Arian Faal

Politik

Auf künftigen Präsidenten warten viele Aufgaben. | Moussavi setzt auf die Jugend. | Teheran. Im Iran ist am Freitag der mit Spannung erwartete erste Durchgang der Präsidentschaftswahl über die Bühne gegangen. Schon am frühen Nachmittag war klar, dass sehr viele der 46 Millionen wahlberechtigten Perser diesmal von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten. Vor vielen Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen. Ein Mitglied des den Urnengang beaufsichtigenden Wächterrates sprach von mindestens 70 Prozent Beteiligung.


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Hauptrivale des ultrakonservativen Amtsinhabers Mahmoud Ahmadinejad war der 67-jährige Mir Hossein Moussavi, der zu Zeiten des iranisch-irakischen Krieges (1980-1988) Ministerpräsident war und die Beziehungen zum Westen verbessern will. Moussavi befürchtet eine Wahlmanipulation durch die Basijmilizen und teilte dies auch schriftlich dem obersten Führer Ayatollah Khamenei mit. Weitere Bewerber waren Ex-Parlamentspräsident Mehdi Karrubi und der ehemalige Chef der Revolutionsgarden, Mohsen Rezai. Ob es zu einer Stichwahl am kommenden Freitag kommt, hängt davon ab, ob einer der vier Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen für sich verbuchen kann.

Nach einem kontroversen Wahlkampf rechnen Experten mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ahmadinejad und Moussavi, von dem sich besonders die Jugend eine Öffnung und Wirtschaftsreformen erhofft. Die hohe Wahlbeteiligung dürfte aber Moussavi eher nützen. Mit ersten Ergebnissen beziehungsweise Hochrechnungen wird am heutigen Samstag gerechnet.

Das Wahlergebnis wird entscheidend für die künftigen Beziehungen des Westens zum Iran sein. Vor allem der seit Jahren andauernde Streit um das umstrittene Atomprogramm hat das Verhältnis immer wieder belastet. Moussavi gilt moderater als Ahmadinejad und will das Verhältnis zum Westen verbessern. Keiner der vier Kandidaten hat jedoch eine wirkliche Änderung der Atompolitik in Aussicht gestellt.

Shaghayegh H., 27, Jusstudentin aus Teheran, bringt die Stimmung im Land gegenüber der "Wiener Zeitung" auf den Punkt: "Ganz unabhängig vom Wahlausgang ist jedenfalls klar, dass auf den künftigen Präsidenten jede Menge Arbeit wartet. Schauen Sie sich das Land an. Repressalien, Zensur, Inflation: Irans Wähler hätten allen Grund, ihren Präsident abzustrafen. Ich hoffe, dass die Reformer endlich das Ruder herumdrehen können. Mich beruhigt zumindest, dass auch im Lager der Konservativen der Unmut über Ahmadinejad wächst."

Der nächste Präsident steht unter enormem Zugzwang, da es eine lange Liste an dringenden Agenden gibt: Innenpolitisch gilt es, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und die Menschenrechtslage zu verbessern. Öffentliche Hinrichtungen wurden unter Ahmadinejad wieder eingeführt, und Irans vor zehn Jahren noch blühende Medienlandschaft ist ruiniert. Zeitungen wurden verboten, Zensur steht auf der Tagesordnung. Blogger, die authentischsten Berichterstatter inneriranischer Entwicklungen, leiden unter massiver Verfolgung. Frauenrechtlerinnen werden in letzter Zeit immer häufiger verhaftet.

Wirtschaftlich sieht es nicht besser aus: Die Inflationsrate ist deutlich angestiegen und liegt derzeit bei etwa 20 Prozent. Viele junge Menschen machen Staatspräsident Ahmadinejad für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich, war er doch mit dem Versprechen angetreten, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Armut zu bekämpfen. Stattdessen setzte er auf Aktionismus. So legte er für 2008/2009 einen Staatshaushalt vor, der 18 Prozent höhere Staatsausgaben vorsieht.

Außenpolitisch muss der künftige Staatschef den Atomstreit lösen und die Neuordnung der seit dreißig Jahren angespannten Beziehungen Teherans zu Washington regeln. Der Ausgang der Wahl wird Irans Zukunft jedenfalls maßgeblich beeinflussen.