Moskau - In der Vergangenheit hat der Chef der rechtsnationalistischen russischen Liberal-Demokratischen Partei Wladimir Schirinowskij Berichte, sein Vater sei ein Jude gewesen, stets entrüstet zurückgewiesen. Vor einigen Monaten weigerte er sich sogar aufzustehen, als im russischen Parlament der Holocaust-Opfer gedacht wurde. Jetzt musste er zugeben, dass sein Vater, Wolf Isaakovich Eidelstein, ein polnischer Jude war, der 1939 vor den Nazis nach Kasachstan geflohen ist. Die Eltern und ein Bruder des Vaters wurden von den Nazis ermordet. Der Vater kehrte 1946, im Geburtsjahr Schirinowskijs, nach Polen zurück und verschwand dort.
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Die "Washington Post", die von einem Interview und einem neuen Buch berichtet, in dem der 55-jährige Schirinowskij das zugibt, was er jahrelang geleugnet hat, zitiert den russischen Politiker, der in der Vergangenheit immer wieder mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen ist mit den Worten: "Die Familie meines Vaters wurde getötet. Deshalb habe ich nie über sie gesprochen". Gleichzeitig bezeichnete er aber neuerdings die Juden als Grund für vieles, was heute in Russland nicht in Ordnung sei. Er lamentierte wie früher über jüdische Dominanz in den Medien, im Bankenwesen und in der Politik.
Schon seit 1994, ein Jahr nachdem Schirinowskijs Partei bei den Dumawahlen zur zweitstärksten Gruppe im russischen Parlament geworden war, hatten russische Journalisten aufgedeckt, dass Schirinowskij seinen Namen erst mit 18 Jahren angenommen und bis dahin nach seinem Vater Eidelstein geheißen habe. Schirinowskij hatte die vorgelegten Dokumente aber als Fälschungen bezeichnet.
Als er jetzt zugeben musste, dass er doch jüdische Wurzeln habe, lamentierte er in seinem neusten Buch: "Warum muss ich mein russisches Blut, die russische Kultur und das russische Land aufgeben und all die jüdischen Leute lieben und das alles wegen eines Tropfens Blut, den mein Vater im Körper meiner Mutter gelassen hat."