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Anwälte beklagen "Gebührenexzess"

Von Wolfgang Zaunbauer

Wirtschaft

"Höhere Gebühren erschweren Zugang zum Recht." | Kritik auch an Zwangsstrafen und Kürzung des Gerichtsjahrs. | Wien. Nun reihen sich auch die Anwälte in den Chor der Budgetkritiker ein. Vor allem die zahlreichen Gebührenerhöhungen stoßen Michael Auer, Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer (RAK), sauer auf. Er spricht von "Raubrittertum" und einem "Gebührenexzess der Sonderklasse". Aber auch Änderungen beim Gerichtsjahr für Jus-Absolventen und Änderungen im Strafrecht stoßen bei den Anwälten auf wenig Verständnis.


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Im kommenden Jahr hat das Justizressort einen Konsolidierungsbedarf von 3,5 Prozent, also rund 42 Millionen Euro. Dazu sieht das gerade in Begutachtung befindliche Budgetbegleitgesetz eine Reihe von Maßnahmen vor - hauptsächlich einnahmenseitig.

* Gebührenerhöhungen: Grundbucheintragungen werden von 1 auf 1,1 Prozent erhöht, was 13,6 Millionen Euro pro Jahr bringen soll, Abfragen kosten künftig 1,5 bis 3 Euro. Firmenbuchabfragen werden um 25,3 Prozent teurer. Dies entspricht der Inflation seit 1999, als die Gebühren letztmals angehoben wurden.

Schon im Vorjahr wurden die Gebühren für Kopien von Gerichtsakten von 40 Cent auf 1 Euro pro Seite angehoben - wer selbst kopiert, zahlt immer noch 50 Cent pro Seite. Alleine die Aktenbeschaffung kann in größeren Fällen dann schnell ein paar tausend Euro kosten. "Das ist Raubrittertum, das ist unverfroren", wetterte Auer am Donnerstag vor Journalisten. Dadurch würde der Zugang zum Recht erheblich erschwert, kritisierte RAK-Vizepräsident Stefan Prochaska. Die Anwälte fordern hier die rasche Umsetzung des elektronischen Akts.

* Zwangsstrafen: Unternehmen, die ihre Jahresabschlüsse nicht rechtzeitig vorgelegt haben, wurden bisher nach wiederholter Aufforderung zu maximal 700 Euro Strafe verdonnert. Künftig soll die Strafe ohne vorherige Aufforderung zur Nachreichung eingehoben werden und zwar bis zu einer Höhe von 3600 Euro. Der Justiz könnten so Zusatzeinnahmen von bis zu 108 Millionen Euro winken, rechnete Auer vor, weil rund die Hälfte der 60.000 meldepflichtigen Unternehmen ihre Bilanzen verspätet vorlegt. Prochaska bezeichnete die Regelung als "völlig aus dem Rahmen".

Im Ministerium verteidigt man die Zwangsstrafen, schließlich sei es nicht zu viel verlangt, gesetzliche Vorgaben einzuhalten.

* Einsparungen: Das Budgetbegleitgesetz sieht Einsparungen von insgesamt 7,4 Millionen Euro vor, zwei Millionen davon beim Instandhaltungsaufwand für Gebäude.

Fünf Millionen Euro sollen durch die Verkürzung des Rechtspraktikums (Gerichtsjahr) eingespart werden. Dieses soll von 9 auf 5 Monate verkürzt werden, eine Maßnahme, von der RAK-Vizepräsidentin Brigitte Birnbaum wenig hält: "Hier wird wieder einmal am falschen Ort, bei Bildung und Ausbildung, gespart", zumal die Ausbildung an den Universitäten nicht praxisnah sei. Birnbaum kritisiert daher auch, dass nur jene eine Praktikumsstelle bei Gericht bekommen sollen, für deren künftigen Beruf das Gerichtsjahr Voraussetzung ist. Nicht zuletzt empört sie, dass Rechtspraktikanten künftig statt 1274 nur noch 1010 Euro brutto bekommen sollen: "Eine Kürzung von 21 Prozent sollte man sich mal bei den Metallern erlauben, da wäre der Teufel los." Hier argumentiert das Ministerium, dass von den fünf Monaten nur vier wirklich gearbeitet werde, der erste Monat lediglich der Einschulung diene.

Auch die Streichung der verhandlungsfreien Zeit im Sommer und über Weihnachten stößt bei Birnbaum auf wenig Verständnis. In dieser Zeit seien Parteien und Zeugen auf Urlaub, daher wären Gerichtstermine in dieser Zeit "sinnlos". Das Justizministerium bleibt aber dabei und sieht sich in seiner Haltung nicht alleine: "Da haben wir Richter und Staatsanwälte 100-prozentig hinter uns."

Keine Schließung von Gerichten geplant

Weitere Einsparungsmaßnahmen: Die Landesgerichte fallen als Verwaltungsebene (nicht aber als Instanz) weg. Der Dienstweg in Verwaltungsangelegenheiten geht künftig direkt vom Bezirks- zum Oberlandesgericht. Um Übersetzungsdienste nicht mehr zukaufen zu müssen, soll ein Pool mit Dolmetschern eingerichtet werden, eventuell in Kooperation mit dem Innenministerium. Amtstage an geschlossenen Gerichtsstandorten werden gestrichen. Weitere Schließungen von Bezirksgerichten - was sich die Anwälte im Rahmen einer Strukturreform wünschen würden - sind allerdings nicht vorgesehen.

Um die Gerichte zu entlasten, sollen künftig Fälle von leichter fahrlässiger Körperverletzung - etwa bei Autounfällen - straffrei sein, sofern das Opfer nicht mehr als zwei Wochen (bisher drei Tage) verletzt ist. Nicht alles müsse vor Gericht landen - "da geht es oft um blaue Flecken", so das Ministerium. Für RAK-Vizepräsidentin Elisabeth Rech ist das "unfassbar", weil Opfer so ihre Ansprüche, zum Beispiel auf Schmerzensgeld, per Zivilverfahren geltend machen müssen und damit das Risiko (auch finanziell) selber tragen müssen. Sie erwartet sich hier ein "Nullsummenspiel": Zwar erspare man sich Kosten für Gutachter, allerdings verliere man auch Einnahmen aus Diversionen, so Rach.