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Anwälte kritisieren Insolvenzreform

Von Reinhard Binder

Wirtschaft

Benn-Ibler: Erwartungen in vielen Bereichen enttäuscht. | Rückwirkende Insolvenzeröffnung belastet Dienstnehmer. | Wien. Kein gutes Haar läßt die österreichische Rechtsanwaltskammer an der geplanten Reform der Unternehmensinsolvenz, die ab Jänner 2010 in Kraft treten soll. "Die Erwartungen wurden in vielen Bereichen enttäuscht", sagt Gerhard Benn-Ibler, Präsident des österreichischen Rechtsanwaltskammertages, zur "Wiener Zeitung". "Rettungswürdige Unternehmen können dadurch nicht leichter gerettet werden."


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Ein Ziel der Novelle ist es, den Schuldner möglichst früh zum Insolvenzantrag zu bewegen. Als ganz und gar nicht zielgerecht bezeichnet Benn-Ibler aber den geplanten Rettungsschirm. Die Rückwirkung der Insolvenzeröffnung und das damit verbundene Unwirksamwerden von Verträgen gehe vor allem zu Lasten der Dienstnehmer und Vertragspartner.

Auch die Einschränkung der Anfechtung von Sanierungskrediten, die bei außergerichtlicher Sanierung von Banken vergeben werden, lehnt der Kammerpräsident strikt ab. Gläubiger können diese Kredite bisher als nachteiliges Geschäft anfechten, sodass die Bank erhaltene Sicherheiten zurückstellen muss. "Offensichtlich soll das Maß der Sorgfaltspflicht der Banken bei der Kreditgewährung herabgesetzt werden", ärgert sich Benn-Ibler.

Sanierungsplan hat Nachbesserungsbedarf

Nachbesserungsbedarf sieht Benn-Ibler auch beim neuen Sanierungsplan. Dieser sollte zusätzlich eine Analyse der Krisenursachen, detaillierte Planrechnungen und eine genaue Beschreibung der für die Beseitigung der Krise notwendigen Sanierungs- und Reorganisationsmaßnahmen enthalten. Er fordert zudem ein uneingeschränktes Kontrollrecht des Sanierungsverwalters.

Positiv wird die Herabsetzung der Kapitalquote beurteilt. Zur Annahme des Sanierungsplans soll künftig neben der Kopfmehrheit der anwesenden Konkursgläubiger schon mehr als die Hälfte der Summe der Forderungen reichen (bisher mindestens 75 Prozent). Weniger erfreulich hingegen sei jene der Quotensenkung von 40 auf 30 Prozent, bei deren Erreichung das Unternehmen in Eigenverantwortung fortgeführt werden kann. Eine flexiblere Quote wäre besser gewesen, meint Benn-Ibler.

Auch Privatkonkurs wird reformiert

Die nächste Reform steht schon ins Haus. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner will auch den Privatkonkurs reformieren. Im späten Herbst soll eine Arbeitsgruppe darüber beraten. Dominik Baurecht, Verhandler der Rechtsanwälte, sieht allerdings nur bedingt Reformbedarf.

Schon die Insolvenz-Reform bringt laut Baurecht Erleichterungen für den Privatkonkurs. Statt wie bei Unternehmen ein Sanierungsplan führt bei Privaten ein Zahlungsplan zur Entschuldung. Da das Gesetz auf den Sanierungsplan verweist, bringt die Herabsetzung der Kapitalquote auch Vorteile für den Privatschuldner. "Großgläubiger können somit einen Zahlungsplan nicht mehr so leicht blockieren", betont Baurecht.

Zweifel hat Baurecht bei der Abschaffung oder Senkung der Mindestquote von 10 Prozent im sogenannten "Abschöpfungsverfahren". Dieses Verfahren wird dann eingeleitet, wenn sich der Schuldner nicht mit den Gläubigern einigen kann.

Vorausgesetzt wird, dass das Vermögen des Schuldners verwertet wurde, dieser sich sieben Jahre wohl verhält und zumindest 10 Prozent der Schulden tilgt. Baurecht verweist auf die flexiblen Regelungen des Zahlungsplans, der ohnehin keine fixe Mindestquote vorsieht. "Die Schuldner würden nur noch niedrigere Quoten anbieten."

Wird die Mindestquote nicht erreicht, so hängt die Restschuldbefreiung von einer Billigkeitsentscheidung des Richters ab. Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband 1870 kann sich eine Erweiterung dieser Billigkeitsgründe vorstellen. So soll etwa berücksichtigt werden, dass ein Schuldner außerordentliche Anstrengungen wie etwa mehrere Jobs auf sich nimmt, um die Gläubiger zu befriedigen. "Die Gläubiger dürfen nicht komplett leer ausgehen."

Kernstück der Reformgedanken ist ein amtswegig eröffneter Konkurs bei Schuldenüberhang. Anders als bisher könnten dann nicht nur Schuldner und Gläubiger, sondern auch das Gericht einen Konkurs eröffnen. Baurecht und Kantner lehnen diese "Zwangsbeglückung" als nicht zweckmäßig ab. Fraglich bleibt, ob die Justiz die Kapazitäten für mehr Konkursverfahren hätte.