Skepsis bei SPÖ und Opposition. | Bedenken bei Verfassungsexperten. | Wien. Die SPÖ hat massive Bedenken, was die von Innenministerin Maria Fekter (V) geplante "Anwesenheitspflicht" für Asylwerber betrifft. Unterschiedliche Reaktionen gab es von der Regierungsspitze und Oppositionsparteien.
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"Es geht auch um die Aussage, ob man Menschen über Wochen einsperren kann, die nichts verbrochen haben", so Verteidigungsminister Norbert Darabos (S). Er bezeichnete die Übergabe des Entwurfs am Abend vor der Regierungssitzung wörtlich als "Überfallsaktion". Experten des Bundeskanzleramts würden das Vorhaben nun auf seine Verfassungskonformität prüfen. Kritik kam vom Verteidigungsminister vor allem an der kurzfristigen Übergabe der Fekter-Pläne an den Koalitionspartner SPÖ. Dies sei wohl auch eine Ablenkung von den Turbulenzen rund um das geplante Erstaufnahmezentrum im burgenländischen Eberau.
Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat "massive verfassungsrechtliche Bedenken". Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kritisierte vor allem Phase zwei von Fekters Entwurf zur Anwesenheitspflicht, der einen Aufenthalt von bis zu sechs Wochen vorsieht. "Ich habe nicht das beste Gefühl dabei und muss mir den Entwurf genau anschauen."
"Heiliges Recht"
Bundeskanzler Werner Faymann (S) wünscht sich bei der vom Innenministerium geplanten "Anwesenheitspflicht" für Asylwerber "Einzelfallprüfungen". Zu dieser Meinung würden auch die Experten im Bundeskanzleramt tendieren, sagte er nach dem Ministerrat am Dienstag. "Ich wünsche mir eine geordnete Vorgehensweise, die dazu führt, Kriminalität in unserem Land zu bekämpfen", lautet Faymanns Wunsch in der Asyldebatte.
Vizekanzler Josef Pröll betonte ebenfalls, dass es in der Asyldebatte darum gehe, gegen jene vorzugehen, die in die Illegalität abtauchen würden. "Asylrecht ist ein heiliges Recht, aber wer gegen dieses Recht verstößt, hat auch keinen Anspruch." Beide Regierungspartner betonten, dass die Koalition trotz diverser Debatten harmonisch sei. "Die Zusammenarbeit in der Regierung funktioniert sehr gut, auch wenn es in Einzelfällen verschiedene Meinungen gibt", meinte etwa Faymann.
Fekter zuversichtlich
"Die SPÖ wird sich den Vorschlag genau anschauen und ihre Wünsche bekanntgeben. Ich gehe davon aus, dass sie das beschließen", sagte Fekter am Dienstag. Ein "Überfallskommando" erkennt sie in der Übergabe nicht: "Wir lassen der SPÖ schon ein bisschen Zeit." Die Innenministerin sieht in ihrem Vorgehen gegenüber dem Koalitionspartner "den richtigen Weg".
Von ÖVP-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hieß es: "Schnellschüsse kann man in so einem Fall nicht machen", meinte sie auf die Frage zur Verfassungskonformität von Fekters Vorhaben.
Kritische Stimmen
Während die Grünen die "Haftpläne" kritisieren und verfassungsrechtliche Bedenken äußern, fordert das BZÖ die Ministerin auf, Ankündigungen auch umzusetzen. Für die FPÖ ist der neue Vorstoß "nur schwammig".
"Die ersten bekanntgewordenen Eckpunkte der Haftpläne der Innenministerin für Asylwerber bedeuten, dass im Asylverfahren Haft zur Regel wird und Freiheit zur Ausnahme", so die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Sie fordert die SPÖ auf, diesen "verfassungswidrigen" Plan abzulehnen.
Caritas-Präsident Franz Küberl sieht im Entwurf der Ministerin ein "Ablenkungsmanöver" von den wirklichen Problemen. "Was hier verharmlosend als Anwesenheitspflicht bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit ein Einsperren von Menschen, die nichts verbrochen haben", erklärte er weiters.
Verfassungsexperten bekräftigen Bedenken
Verfassungsexperte Bernd Christian Funk sieht darin einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit. "Das ist eine Behübschung des Umstandes, dass es eine Haft ist", nannte es Heinz Mayer beim Namen. Theo Öhlinger wollte sich nicht festlegen, der Entwurf sei aber sicher "im Graubereich" zwischen verfassungswidrig und verfassungskonform.
"Ich sage nicht, dass das alles verfassungswidrig ist, aber es gibt eine Reihe offener verfassungsrechtlicher Fragen und Zweifel", so Funk, der davon ausgeht, dass in die persönliche Freiheit eingegriffen wird. In der ersten Stufe gebe es die Anwesenheitspflicht für maximal sieben Tage. Dabei handle es sich um eine unbedingte Verpflichtung, die nötigenfalls auch mit Zwangsgewalt durchgesetzt werde. "Hier stellt sich die Frage, ob die Betroffenen nicht in unnötiger Weise um ihren Rechtsschutz beraubt werden", so Funk.
In einem zweiten Schritt gilt die "eingeschränkte Anwesenheitspflicht" für die Dauer des Zulassungsverfahrens. Funk kritisiert, dass es laut Entwurf hierfür keine zeitliche Beschränkung gibt. "Ich würde sagen 'Ja', es bleibt eine Form der Internierung. Außerdem sind hier die Ausnahmen zu eng gefasst. Es läuft auf das Eingesperrtsein hinaus", erklärte Funk. Der Verfassungsrechtler kritisierte auch die verbale Verharmlosung durch die Bezeichnung "Anwesenheitspflicht". Eine verbindliche Klärung könnte es jedenfalls nur durch die Höchstgerichte geben.
Öhlinger begrüßt die Abänderung von Fekters ursprünglicher, "eindeutig verfassungswidriger" Idee der Internierung über einen Zeitraum von einem Monat: "Sieben Tage sind sicher ein Bereich, wo eine Regelung vertretbar ist." Aber auch der nun vorgelegte Entwurf befinde sich im Graubereich. Die Verfassungskonformität hänge schließlich von den Details ab, meinte Öhlinger. APA)