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Äpfel essen für Europa

Von Martyna Czarnowska

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Wegen des russischen Importverbots müssen die EU-Länder ihr Obst und Fleisch anderswo unterbringen.


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Konsumpatriotismus lautet die aktuelle Parole. Diese Haltung sollen die Europäer einnehmen. Nach dem Motto: Wenn die Russen unsere Äpfel nicht wollen, dann essen wir sie eben selber. Dazu fordern zumindest Agrarvertreter quer durch Europa auf. Denn der Importstopp für Waren aus dem Westen, den der Kreml als Reaktion auf den Konflikt um die Ukraine verhängt hat, trifft auch die Landwirtschaft. Für die gehörte Russland nämlich zu den wichtigsten Handelspartnern; der Wert der aus der EU exportierten Erzeugnisse betrug immerhin fast zwölf Milliarden Euro jährlich. Fünf Milliarden Euro davon werden nun wohl wegfallen.

Hunderttausende Tonnen an zurückgewiesenen Früchten, Milch- und Käseprodukten oder Schweinefleisch versuchen die Mitgliedstaaten daher anderswo unterzubringen. Neben der Suche nach neuen Absatzmärkten richten sie Konsumappelle an ihre eigenen Bürger. In Österreich wirbt der Bauernbund verstärkt für seine Initiative: "Heimisch kaufen - österreichische Arbeitsplätze sichern". In Polen sind Landwirte gesichtet worden, die am Straßenrand Kartoffeln an Autofahrer verteilen. Und eine Supermarkt-Kette nutzt die Stimmung für ihre Werbekampagne. Auf großflächigen Plakaten stellt sie fest: "Noch nie war Patriotismus so schmackhaft." Darunter prangt das Bild eines knackig-grünen Apfels.

Für so manchen Europäer bedeutet das russische Embargo billigere Einkäufe. Denn die Waren, die nicht ins Ausland ausgeführt werden können, landen auf den Märkten der EU und drücken - zum Kummer der Bauern - die Preise. Für die russischen Konsumenten hingegen sieht die Situation anders aus. In ihrem Land müssen sie nun ein Zehntel mehr für Lebensmittel bezahlen als vor dem Boykott. Die Fleischpreise etwa sind im August um 13 Prozent gestiegen.

Die EU hat die Agrarhilfen für die europäischen Landwirte jedenfalls bereits aufgestockt. 180 Millionen Euro aus einem Krisentopf sind schon verplant, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Fonds ausgeschöpft wird, in dem insgesamt 400 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Eventuelle Ausgleichszahlungen für Landwirte müssten die Mitgliedstaaten erst beschließen, doch dafür wären zusätzliche Mittel bereitzustellen. Einige orten außerdem nicht unbedingt im Agrarsektor die größten Probleme.

Zudem heißt es aus den Hauptstädten immer wieder, dass von einer Marktkrise - noch - nicht die Rede sein kann. Auch aus Ländern, die von den russischen Einfuhrverboten besonders betroffen sind. Dazu gehören die Nachbarn Litauen und Polen. Polnische Wirtschaftsexperten weisen aber darauf hin, dass 80, 90 Prozent der Bauern nicht unter den Strafaktionen des Kreml leiden.

Die Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten geht dennoch hektisch weiter. Das österreichische Landwirtschaftsministerium will innerhalb von zwei Jahren die Lücke gefüllt sehen, die ein Wegfall des russischen Marktes verursachen würde. Eine Exportoffensive zielt auf China, in weiterer Folge auf Japan, Südkorea und afrikanische Länder.

Polen wiederum setzt Hoffnungen auf einen anderen Nachbarn, der eher zu den Verbündeten Russlands zählt. Ausgerechnet Weißrussland soll großes Interesse an polnischem Obst bekunden.