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"Apollo 13"-Modus statt Gießkannen-Politik

Von Stefan Schleicher

Gastkommentare
Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Treffsichere Krisenbewältigung ist mehr als Klimabonus und Energiegutscheine.


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Mehr als 100 Tage Krieg in der Ukraine bedeuten nicht nur eine Zeitenwende in der Geopolitik, sondern auch eine der gefährlichsten Krisensituation für die Weltwirtschaft seit fünf Jahrzehnten. Nicht nur aus der Ukraine sind Lieferketten gerissen. Gravierend sind die Folgen der Blockaden der Schwarzmeerhäfen für die Ausfuhr von Weizen aus der Ukraine, die als sechsgrößter Weizenexporteuer gut 10 Prozent der globalen Exporte abdeckt. Nahost und Nordafrika sind extrem von den Weizenlieferungen aus der Ukraine abhängig, mit denen zu Friedenszeiten 400 Millionen Menschen ernährt werden.

Zu einer multiplen Krisensituation entfaltet sich die Ukraine-Krise, wenn das Krisenradar die weiteren Bedrohungen erfasst: die möglichen Unterbrechungen der Lieferungen bei Erdöl und Erdgas, die seit langem höchste Inflation bei Energie, Lebensmitteln und Wohnen, die sozialen Verwerfungen aufgrund der zunehmenden Armutsgefährdung sowie die immer deutlicher werdenden Einbrüche bei der globalen wirtschaftlichen Aktivität.

Dieser multiplen Krisensituation steht nicht nur in Österreich die Wirtschaftspolitik mit einem multiplen Krisenversagen gegenüber. Eine nur scheinbar entfernte Episode soll diese Situation ausleuchten: Mit der legendären Meldung "Okay, Houston, we’ve had a problem here" meldete 1970 die Besatzung des US-Raumschiffs "Apollo 13" eine lebensbedrohende Havarie bei der Energieversorgung, die eine Mondlandung unmöglich machte und die Rückkehr gefährdete. Dramatische Stunden folgten. Aber unter Anleitung der Bodenstation konnte mit Bordmitteln die Situation so weit stabilisiert werden, dass die Besatzung mit den verbliebenen Ressourcen und Temperaturabsenkungen bis zum Gefrierpunkt die Rückkehr zu Erde schaffte. Extreme Anstrengungen sowohl beim Management als auch der Besatzung dieses Mondlandungsprojektes verhinderten eine Katastrophe.

Nur mit ähnlichen Anstrengungen sowohl seitens der Politik als auch aller Haushalte und Unternehmen wird die aktuelle Krisensituation eindämmbar sein. Statt in einen "Apollo 13"-Modus zu wechseln, erliegt die Politik aber weiter der Versuchung von Gießkannen-Paketen. Diese begannen mit den Energiegutscheinen im Wert von 150 Euro, die den Haushalten per Post zugeschickt wurden und über die Stromrechnung eher kompliziert einzulösen sind. Die jüngste Fortsetzung sind die 250 Euro, die unter der irreführenden Bezeichnung Klimabonus allen Haushalten zukommen sollen. Verbunden damit ist ein nicht einsichtiger Aufschub der Bepreisung von CO2-Emissionen um drei Monate, weil sich in diesem Zeitraum die Inflationssituation kaum verändern wird.

Treffsichere Krisenbewältigung geht anders. Die Markierungen dafür liefern eine durchgehende Anpassung der Sozialleistungen an die Inflation und massive Anreize für einen bewussteren Umgang mit allen Energieträgern. Diese reichen von einem Angleichen der Tempolimits im Straßenverkehr an jene in Skandinavien bis zu einem Bonussystem für tatsächlich erreichte Energiereduktionen bei Strom und Gas. Der Wechsel in einen solchen "Apollo 13"-Modus wäre billiger als die bisherige Gießkannen-Politik.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.