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Heute ist unübersehbar, dass Österreich in maßgeblichen Rankings gegenüber vergleichbaren Staaten zurückfällt. Dabei wird es in den nächsten Jahren mit einer halben Million Arbeitslosen und mehr als zwei Millionen Modernisierungsverlierern zu tun haben. Dies wird durch weit mehr als 100.000 Asylwerber und deren Integrationsproblemen verschärft.
Unser Land braucht nicht nur rasch Wohnungen und Arbeitsplätze, sondern auch Zuversicht auf eine Umkehr der Negativtrends und ein Gelingen der kulturellen Integration. Österreich steht somit durch die vielen Probleme, deren Größenordnung und Dringlichkeit vor der wohl größten Herausforderung der vergangenen 70 Jahre.
In etlichen Sachgebieten verbarrikadieren sich mächtige Klientelen hinter einstmals effizienten, nun aber bürokratisch verkrusteten Strukturen und verbauen den Blick auf die Zukunft - der Bogen verschleppter Reformen reicht von der Bildung über die Pensionen, die Steuerlast und die Gesundheitspolitik bis zur Landesverteidigung.
Vor allem aus finanziellen Gründen hat heute der Föderalismus hohen Reformbedarf: Ohne Einheitlichkeit zum Selbstzweck zu erheben, müssen durch Entflechtung der Kompetenzen Zuständigkeit und budgetäre Verantwortung endlich zusammengeführt werden.
Modernisierungsschubist seit Jahren fällig
Im Präsidentschaftswahlkampf überlagerte die Asylkrise diese Fragen. So wurde die Problematik in den zehn Debatten der TV-Runde der Kandidaten im ORF nur einmal angesprochen: "Es gibt in Österreich keine Bereitschaft, grundlegende Dinge zu verändern. Es gibt keinen Konsens im Parlament, mit Zwei-Drittel-Mehrheit beispielsweise den Finanzausgleich zu ändern. Es gibt auch keine Mehrheit dafür, die Kompetenzen zu entflechten. Da gab es viele Anstrengungen, das Parlament macht das aber nicht."
Der seit Jahren fällige Modernisierungsschub droht bei weiterer Verschleppung zur Überlebensfrage unserer demokratischen Institutionen zu werden. Viele Lösungsansätze liegen längst auf dem Tisch, seien es der Verfassungskonvent von 2004 oder die vielen Vorschläge des Rechnungshofs. Geht man die offenen Fragen isoliert an, werden die diversen Klientelen zeitgerechte Lösungen zu verhindern wissen. Vermeiden lässt sich das wohl nur, wenn man in einem großen Wurf alle Fragen auf einmal verhandelt und dabei eine Aufbruchsdynamik erzeugt, die zu einem für alle annehmbaren Gesamtkompromiss führt.
In Österreichs Gesellschaft besteht durchaus Verständnis und Bewusstsein für eine solche Lösung. Weil es dazu einen formellen Anstoß braucht, sei hier appelliert:
Sehr geehrter Norbert Hofer, sehr geehrter Alexander Van der Bellen!
Sie können als Bundespräsident für den nötigen Modernisierungsschub die notwendigen Entwicklungen und Diskussionen anstoßen. Bitte zünden Sie im Falle Ihrer Wahl die überfällige Aufbruchstimmung in Österreich und fordern Sie die Bundesregierung nachdrücklich auf, so bald wie möglich einen Zukunftskonvent abzuhalten, auf dem diese mit Vertretern der Nationalratsparteien, der Bundesländer und der Gemeinden eine Grundsatzeinigung zu den hier angesprochenen Fragen ausarbeitet. Bitte versichern Sie sich dabei auch der Unterstützung der österreichischen Zivilgesellschaft - wie sie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise gezeigt hat, verfügt sie über größte Tatkraft und Kreativität.