Vor 70 Jahren begann im Burgenland der Holocaust an den Roma und Sinti. Daran wurde am Samstag bei einer Gedenkfeier erinnert.
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Vor 70 Jahren begann im Burgenland die Internierung der Roma und Sinti durch das NS-Regime. In der mittelburgenländischen Gemeinde Lackenbach entstand im November 1940 ein Anhaltelager, von dem aus 2.000 Angehörige der Volksgruppe in das Ghetto Lodz/Litzmannsstadt deportiert und ermordet wurden.
Mit einer Feier am Mahnmal in Lackenbach haben Politiker und Vertreter der Kirchen am Samstag gemeinsam mit Überlebenden und Angehörigen von Opfern der Geschehnisse gedacht. An die Teilnehmer der Veranstaltung erging dabei der Appell, die Verbrechen von damals niemals zu vergessen und Zivilcourage zu zeigen.
"Wir dürfen rassistische und antidemokratische Hetze nicht tolerieren, vor allem, wenn diese unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit versteckt wird. Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen", erklärte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ). Einen "Schlussstrich" unter die Vergangenheit zu ziehen, sei "brandgefährlich". Ohne Zivilcourage gebe es keine Demokratie. Roma und Sinti seien ein Teil der Kultur, der die Region "zu dem macht, was sie ist".
"Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, unserer Toten immer zu gedenken. Wir bemühen uns, dieses Mahnen aufrecht zu erhalten und Gedenkstätten zu errichten", sagte der Obmann des Kulturvereins Österreichischer Roma, Rudolf Sarközi. In einigen Gemeinden habe man das tun können, dafür sei man dankbar. In Kemeten im Südburgenland lässt die Errichtung einer Skulptur seit fünf Jahren auf sich warten. "Bis heute kam es nicht dazu", so Sarközi, der selbst das Lager überlebte: "Diese Vorgangsweise ist eine Beleidigung für die Opfer." Er sage deshalb heute: "Wir verzichten." Man habe heute die Stärke, um zu sagen: "Wir müssen nicht betteln."
Sarközi gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es bald einen EU-Kommissar für Minderheiten geben werde. Vor 1938 lebten 8.000 Roma und Sinti im Burgenland. Sie wurden in 130 burgenländischen Gemeinden verhaftet, verschleppt und in Konzentrationslager gebracht. Von 11.000 Roma in Österreich überlebten 3.000 die NS-Diktatur. Jene, die damals mit dem Leben davonkamen, seien heute in einem schlechten gesundheitlichen Zustand, so Sarközi.
Man könne sich heute die Brutalität der Täter und die Leiden der Opfer kaum vorstellen. "Was wir tun können ist, die Erinnerung an das erlittene Unrecht aufrecht zu erhalten", erklärte Landtagspräsident Gerhard Steier (SPÖ). Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics und Superintendent Manfred Koch sprachen ein ökumenisches Gebet. An der Gedenkfeier nahmen auch der evangelische Bischof Michael Bünker sowie die Botschafter von Großbritannien und Rumänien Teil. Auch aus den USA, Deutschland und Ungarn waren Diplomaten angereist.
Am 23. November 1940 richteten die Nationalsozialisten in einem Gutshof in Lackenbach ein "Zigeunerlager" ein, in dem Roma und Sinti unter unmenschlichen Bedingungen interniert wurden. Von rund 4.000 dort Festgehaltenen erlebten nur 300 bis 400 die Befreiung durch Truppen der Roten Armee im April 1945. Das Mahnmal wurde 1984 unweit jenes Ortes errichtet, an dem sich einst das Lager befand.
Das Lager Lackenbach
Zu den Grausamkeiten im Lager Lackenbach gehörten medizinische Versuche, Sterilisierungen und Vernichtung waren anderen Stätten vorbehalten. Jeder zehnte in Lackenbach Internierte starb an den unmenschlichen Lagerbedingungen. Hauptursachen waren Seuchen, die fehlende medizinische Versorgung sowie die Misshandlungen und Zwangsarbeit.
Die Täter wurden, wenn überhaupt, extrem milde bestraft. 1942 leitete Franz Langmüller das Lager und errichtete ein Terrorregime. 1948 wurde Langmüller vor dem Wiener Volksgericht angeklagt, den Tod von 237 Roma verschuldet zu haben. Er wurde wegen Quälens und Misshandlung von Lagerinsassen jedoch nur zu einem Jahr Gefängnis ohne Vermögensentzug verurteilt.
(Quellen: APA, Roma Service, Universität Graz)