Die Politiker erklärten den Wiener Wahlsonntag zur Zäsur vor neuem Aufbruch. Es wird keiner kommen - ein müder Wahlkampf hat jegliche Schaffenskraft vernichtet.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Erstaunlich, wie Politiker auf dem Faulbett so viel Energie verbrauchen können. Der sensationsarme Wiener Wahlkampf erschöpfte sich seit Frühsommer darin, auf jeglichen übergeordneten politischen Aktivismus zu verzichten. Auf Bundesebene null Weitblick, null Kreativität, null Durchbruch und nirgends ein Masterplan, denn in Wien muss erst einmal gewählt werden.
Zappelphilipps wie der Rechnungshofpräsident Josef Moser, der wiederholt die Bundesstaatsreform
einmahnt, oder auch Staatssekretär Reinhold Lopatka, der auf der ÖBB herumreitet wie auf einer Schindmähre, kamen über das sorgsam begrenztes Gatter nicht hinaus.
Was ausgehend von der Budgetverschiebung wie ein generelles Moratorium bis zum Stichtag 10.10.2010 schien, wird auf typisch österreichische Weise zum definitiven Provisorium. Glaubt ernstlich jemand, dass die Bundesstaatsreform angegangen wird, die angeblich einige Milliarden Euro in die Staatskasse spülen könnte? Jedes ernst zu nehmende Argument, eine auch vom Standpunkt sozialer Gerechtigkeit völlig aus dem Ruder laufende Hacklerpension zu sanieren, verpufft, sobald Sozialminister Rudolf Hundstorfer auftritt und behauptet, er müsse noch genau nachrechnen. Er rechnet sein mindestens einem Jahr.
Folgerichtig hat sich auch die in die Sozialpartnerschaft eingebettete Pensionsreformkommission zur Ruhe gelegt. Die aus demographischen Zahlen errechenbare Aussicht, dass Österreichs Pensionisten im Jahr 2060 bereits 28,8 Milliarden Euro Steuergelder aufbrauchen werden, raubt den Kommissionsmitgliedern offenbar nicht den Schlaf. Die heutigen Pensionisten sind zufrieden, denn sie werden für die Folgen nicht mehr bezahlen, bloß die heutigen Zahler von Pensionsbeiträgen müssten eigentlich anders denken.
Ähnlich wird es den Hochschulstudenten gehen. Von Universitätsreform weit und breit keine Spur, auch wenn die zuständige Ministerin Beatrix Karl in ihrer fröhlichen Art einen Vorschlag nach dem anderen macht, der durch keinerlei politischen Konsens gedeckt ist. Man lässt sie ins Leere laufen.
Dass der freie Hochschulzugang nicht finanzierbar ist, wagt in der SPÖ lediglich der ausgestiegene Quereinsteiger Josef Broukal zu sagen: "Weder die ÖVP/FPÖ/BZÖ-Regierungen bis 2006 noch die SPÖ-geführten Regierungen seit Anfang 2007 waren bereit, dafür zu sorgen, dass der Unizugang frei bleiben kann."
Und so wird die Weigerung der Politiker, politisch zu handeln, ohne weitere Entschuldigung über die als Schicksalstermin ausgegebene Wiener Wahl fortgeschrieben, bei der sich aber sowieso nicht einmal in Wien etwas ändert. Die Bundesländer blockieren Reformen und pflegen zum Teil ein hochprivilegiertes Pensionssystem für den eigenen Beamtenapparat. Fragen nach einem einheitliches Beamtendienstrecht oder der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern für Lehrer hängen in der Luft.
Aktivität könnte ab Montag lediglich dort ausbrechen, wo es bedrohlich ist: Der Finanzminister braucht ein Budget, und wenn die Konjunkturerholung doch nicht so rosig ist, wie zurzeit behauptet wird, muss er wohl handeln. Das wird für viele Bürger umso schmerzlicher sein, als die für einen Finanzminister vorstellbaren Sparmaßnahmen an dem Grundproblem der Reformunwilligkeit nichts ändern können.
Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse und Salzburger Nachrichten.