In der Abfallwirtschaft gärt ein Konflikt um Rückstellungen. Seit einem Jahr sehen sich die Abfall Recycling Austria (ARA) AG und die ARGEV mit anonymen Anzeigen, die bei der Finanz und im Umweltministerium eintreffen, konfrontiert. Erst Ende des vergangenen Jahres wurde wieder ein "Anzeigen-Schwall" gegen die ARA AG losgelassen. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Unzulässige Gewinne sollen als Rückstellungen resp. Rechnungsabgrenzungen getarnt worden sein. Die Non-profit-Gesellschaft will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und hat eine Klage gegen Unbekannt wegen Verleumdung eingebracht. Manch einer in der Branche zweifelt jedoch ebenfalls die Rechtmäßigkeit der ARA-Rückstellungen an.
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"Wie Sie den Bilanzen der ARA AG entnehmen können, ist es bei der ARA AG über Jahre hindurch zur Anhäufung von Rückstellungen zur Tarifanpassung von rd. 32 Mill. S gekommen. Dies erscheint unverständlich, da bei der ARA kein Erfordernis zu einer derartigen Risikovorsorge gegeben ist. ...... In der Bilanz 2000 versucht die ARA AG nun in Form einer passiven Rechnungsabgrenzung in Höhe von 25 Mill. S aus dem gleichen Titel Überschüsse zu kumulieren und es handelt sich bei dieser Vorgangsweise klar um den Tatbestand versuchter Steuerhinterziehung, da es sich ja zweifellos um einen versteckten Gewinn handelt." Dies der Wortlaut einer anonymen Anzeige, die im Juli 2001 bei der Großbetriebsprüfung Wien eingegangen ist. Ein anderes anonymes Schreiben belastet auch die Sammelgesellschaft ARGEV, die in der Bilanz 1999 460 Mill. Schilling Rückstellungen für Tarifanpassungsverpflichtungen angehäuft hätte.
Die zuständigen Finanzbeamten dürfen zur momentan laufenden ARA-Betriebsprüfung keine Auskunft geben. Für ARA-Vorstand Christian Stiglitz handelt es sich bloß um eine Routineprüfung, die keineswegs mit den Anzeigen in Zusammenhang steht. "Wer uns mit solch biblischem Hass verfolgt, muss ein naiver Fanatiker sein, der die Rechtssituation nicht im Griff hat." Stiglitz weiß nicht, wer hinter den Anzeigen steckt, vermutet allerdings, dass es sich um einen Kenner der Abfall-Szene handelt, der "die Rechtslage falsch interpretiert". Stiglitz kann dessen Problem nicht nachvollziehen. Die Rückstellungen oder passiven Rechnungsabgrenzungen in zweistelliger Millionenhöhe, die in den letzten Jahren gebildet wurden, seien steuerrechtlich zulässig. Zur Untermauerung seiner Position - und damit der Ruf nicht weiteren Schaden nimmt -, hat die ARA nun eine Klage wegen Verleumdung und übler Nachrede gegen Unbekannt eingebracht.
Doch im ARA-System gibt es Stimmen, die sich der Interpretation der anonymen Schreiben durchaus anschließen: Die ARA AG selbst sei gar nicht berechtigt, ihre Überschüsse als Rückstellungen zu verbuchen. Erstens sei die ARA wie die Branchenrecyclinggesellschaften (BRG) ein Non-profit-Unternehmen, das gar keine Überschüsse erzielen darf. Zweitens wäre die ARA als Finanzdrehscheibe nur mittelbar für die Tarife zuständig und bräuchte daher keinen Vorsorgepolster.
Der zuständige Sektionschef im Umweltministerium, Leopold Zahrer, will sich in die Diskussion nicht einmischen. Gegenüber der "Wiener Zeitung" gibt er an, für handels- und steuerrechtliche Fragen nicht zuständig zu sein. Diese hätte die Finanz zu entscheiden. Auch die Neuerung in der ARA-Bilanz 2000 will Zahrer nicht kommentieren. Da wurden nämlich 25 Mill. Schilling (1,82 Mill. Euro) nicht mehr als Rückstellung, sondern als passive Rechnungsabgrenzung verbucht. Der Grund liegt im neuen Steuergesetz: Ein Fünftel der Beträge, die für mehr als ein Jahr rückgestellt werden, unterliegt der Körperschaftsteuer.
Insider, die an der Geschäfts-praxis Anstoß nehmen, kritisieren u. a. das zu hoch angesetzte Verwaltungskostenpauschale der ARA, das 4,5 Prozent der Lizenzgebühren beträgt. Die Überschüsse in der Bilanz zeigten, dass dieses durchaus reduziert werden könnte.
Eine andere Forderung lautet, die ARA als Treuhänderin sollte das Geld nicht auf die hohe Kante legen, sondern unverzüglich an die 8 Branchenrecyclinggesellschaften weiterleiten, damit diese die Tarife senken können.
Doch Stiglitz will von derlei Vorschlägen nichts wissen. Voriges Jahr hat er deshalb bei Prof. Michael Lang ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches klarstellen soll, dass die ARA mit den BRG steuerrechtlich gleichzustellen sei. Das Gutachten wurde bereits den Betriebsprüfern übergeben.
Ob sich die Prüfer der Meinung von Prof. Lang anschließen, ist noch unklar. Sollte dies aber nicht der Fall sein und müsste die ARA Steuern nachzahlen, könnten die jetzt unter der Decke schwelenden Konflikte an die Oberfläche dringen. Denn vor allem die ARA-Lizenzpartner, aber auch die BRG, hätten diese Nachzahlung zu finanzieren.