Die Arabische Liga: 55 Jahre nach ihrer Gründung hat diese Organisation praktisch keine politische Bedeutung mehr. So gab es beispielsweise seit zehn Jahren keine regulären Gipfelkonferenzen mehr. Entstanden war die Vereinigung, um einen israelischen Staat zu verhindern. Den Nahost-Friedensverhandlungen steht man dementsprechend ablehnend gegenüber. Jetzt will ein neuer Generalsekretär die marode Organisation umkrempeln.
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Der ägyptische Außenminister Amr Mussa steht bei seinem Wechsel an die Spitze der Arabischen Liga vor einem schwierigen Erbe. Den 64-jährigen neuen Generalsekretär erwarteten ein aufgeblähter Apparat von "trägen Mitarbeitern", ein drohender Finanzkollaps sowie Diplomaten aus 22 Mitgliedsländern, die sich vom Generalsekretär keine Vorschreibungen machen lassen wollten, schreibt die Kairoer Wochenzeitung "Al Ahram Weekly" in ihrer jüngsten Ausgabe. Mussa, der seinen Landsmann Esmat Abdel Meguid ablöst, wolle die 55 Jahre alte Regionalorganisation nach seinem Amtsantritt Anfang Mai bis zum nächsten arabischen Gipfel im März kommenden Jahres in Beirut "umkrempeln".
Stark vertreten: Protektion
Nur neun der 900 Mitarbeiter würden ihre Arbeit überhaupt ernst nehmen, heißt es in dem Insiderbericht. Die Liga sei "voll gestopft mit trägen Angestellten, die dank ihrer persönlichen Kontakte und nicht ihrer beruflichen Verdienste angeheuert wurden". Ergebnis seien "wenig Fachwissen und geringe Ambitionen". "Die Liga ist ein Ort, wo nur ganz Wenige von uns überhaupt etwas zu tun haben", wird ein Mitarbeiter zitiert. Die Liga habe "die vergangene halbe Dekade praktisch überhaupt nicht funktioniert", beschwert sich ein ägyptischer Diplomat. Ein weiteres Problem: Rentenverträge schützen praktisch vor Entlassung.
Mussa, zehn Jahre lang Ägyptens Chefdiplomat, ist aus seinem Hause anderes gewöhnt. Er habe in seinem Ministerium ein eigenes Küchenkabinett von 21 Diplomaten gehabt. Der älteste von ihnen sei gerade Anfang 40, schreibt "Al Ahram". Mussa habe bei seinem Amtsantritt im Mai 1991 das ägyptische Außenministerium umstrukturiert. Jetzt wolle der in allen arabischen Ländern Geachtete die Liga von "einem Sekretariat, das arabische Treffen organisiert, zu einer politischen und ökonomischen Organisation umbauen, die bei der Beilegung von innerarabischen Konflikten hilft und die Zusammenarbeit zwischen den arabischen Ländern koordiniert".
Viele Diplomaten und Angestellte hätten bisher in der Vorstellung gelebt, dass sie allein für ihre Heimatländer arbeiteten und der Generalsekretär ihnen nicht vorschreiben könne, was sie zu tun oder zu lassen hätten, heißt es in dem Bericht. Da es schwer sei, die Angestellten zu mehr Arbeit zu bewegen, müsse Mussa möglicherweise neues Personal einstellen; finanzielle Grenzen könnten diese Pläne zerschlagen.
Schwache Zahlungsmoral
Den Spielraum der Arabischen Liga begrenzen Außenstände bei den Mitgliedzahlungen in Höhe von rund 100 Millionen US-Dollar, die teilweise noch auf das Jahr 1987 zurückgehen. Einer der größten Schuldner ist der Irak. Während die Liga praktisch vor der Pleite stehe, spende die Bagdader Führung in ihrem Propagandafeldzug lieber Geld für den palästinensischen Volksaufstand.
"Jammervolle Büros"
Wenn Mussa Anfang Mai von seinem Amtssitz nur wenige Blöcke weiter zur Liga zieht, dann erwarteten ihn "jammervoll wilde" Büros verglichen mit den "eleganten Amtsstuben" im Außenministerium, schreibt die Zeitung. Die wahrscheinlich einfachste Arbeit für Mussa werde es sein, Geld für die "kosmetischen Verbesserungen" und den "Malerjob" aufzutreiben.
Die Arabische Liga ist ein 1945 geschaffener Zusammenschluss von heute 22 Staaten, einschließlich des 1988 von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ausgerufenen Staates Palästina. Die PLO war als solche bereits 1976 Vollmitglied der Liga geworden. Zu den Gründungsmitgliedern Ägypten, Irak, Jemen, Jordanien, Libanon, Saudiarabien und Syrien kamen später Algerien, Sudan, Libyen, Marokko, Tunesien, Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mauretanien, Somalia, Dschibuti und die Komoren hinzu.