Zum Hauptinhalt springen

Arafat ringt mit dem Tod

Von Ines Scholz

Politik

Palästinenserpräsident Yasser Arafat hat am Donnerstagabend in Paris mit dem Tod gekämpft. Der 75-Jährige war - sechs Tage nach seiner Einlieferung in ein französisches Militärkrankenhaus - in den Morgenstunden ins Koma gefallen, Ärzte sahen keine Hoffnung mehr, sein Leben zu retten. Am späten Abend waren auch keine Gehirnströme mehr feststellbar.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Angaben seiner Vertrauten zufolge hatte Arafat seit Mittwoch drei Mal das Bewusstsein verloren, zwei Mal war es den Ärzten jedoch gelungen, ihn wieder zurückzuholen, danach fiel er in ein tiefes Dauerkoma. Die Ärzte gaben sich überzeugt, dass sich Arafat "nicht mehr erholen" wird. Laut Ärzten kann er jedoch nach seinem Hirntod noch tage- oder wochenlang im künstlichen Tiefschlaf gehalten werden.

Der Präsident war am Mittwoch auf die Intensivstation des Percy-Militärkrankenhauses verlegt worden, nachdem sich sein Allgemeinzustand massiv verschlechtert hatte. Mehrere seiner Organe hatten bereits versagt, er wurde an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen.

Am frühen Abend gab der israelische Rundfunk bekannt, dass Arafat bereits verstorben sei. Dies wurde umgehend vom Sprecher der Klinik in Clamart sowie von palästinensischen Politikern dementiert.

Noch immer unbekannt ist, woran der Palästinenserführer tatsächlich leidet. Eine Leukämie-Erkrankung hatten Ärzte nahezu ausgeschlossen, auch wenn eine Blutuntersuchung einen massiven Zerfall roter Blutkörperchen ergab. Eine Blutvergiftung ist denkbar.

Zum Krankenbett des Präsidenten zugelassen wurden gestern nur noch seine Ehefrau Suha, von der er seit vier Jahren getrennt lebt und mit der er eine Tochter hat, sowie engste Vertraute. Auch Frankreichs Präsident Jacques Chirac tauchte kurz im Spital auf.

Der Ex-Präsident und Vize des PLO-Chefs, Abu Mazen, wollte ursprünglich am Donnerstag in Paris fliegen, die Reise wurde jedoch wegen des kritischen Zustandes wieder abgesagt. Stattdessen trafen führende palästinensische Politiker zu einer Dringlichkeitssitzung im Hauptquartier in Ramallah zusammen, dort, wo Arafat bis zu seiner Überstellung in das Pariser Spital drei Jahre lang unter israelischem Hausarrest gestanden hatte.

Es war vermutet worden, dass Abu Mazen mit Arafat darüber beraten wollte, wer im Falle seines Ablebens die Führung übernimmt. In israelischen Medien wird darüber spekuliert, dass der Ex-Premier von Arafat den Vorsitz in der PLO sowie der Palästinensischen Autonomiebehörde übernimmt, während Ahmed Korei weiterhin Ministerpräsident bleibt.

Wegen erwarteter Unruhen in den besetzten Palästinensergebieten hat Israel die Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Verteidigungsminister Shaul Mofaz und Generalstabschef Moshe Yaalon erörterten den bereits in der Schublade liegenden "Notfallplan für den Tag nach Arafat". Israel rechnete jede Stunde mit der Todesnachricht des PLO-Chefs.

Für die Palästinenser hatte Arafat stets den Nimbus des Unsterblichen, seit er einen Flugzeugabsturz in Libyen und Dutzende Raketenangriffe und Mordanschläge Israels überlebt hat. Die ständige Todesbedrohung war für den Friedensnobelpreisträger von 1994 der Preis, den er für seinen 50-jährigen Kampf für die palästinensische Sache in Kauf genommen hatte.

Nun scheint er tatsächlich am Ende seines Lebens angelagt zu sein, sein Lebenstraum, Präsident eines unabhängigen Palästinenserstaates zu sein, ging für ihn nicht mehr in Erfüllung. Auch der Wunsch, in seiner Heimat zu sterben, wird ihm wohl nicht gewährt sein. Sein Leben endet in Paris, der Stadt, in der er im Mai 1989 erstmals wie ein Regierungschef empfangen wurde und in der er auch seine künftige Ehefrau Suha kennenlernte. Sein Leichnam soll in Abu Dis in Ostjerusalem beigesetzt werden.