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Arbeiten ist gefährlich

Von Rosa Eder-Kornfeld

Politik

Arbeiterkammer fordert härtere Gangart gegenüber Firmen, die bei der Evaluierung psychischer Belastungen säumig sind - Wirtschaftskammer: Arbeitsschutz wird ernst genommen.


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Wien. "Arbeiter bei Sturz von Baugerüst schwer verletzt. Das Arbeitsinspektorat wurde zur Unfallerhebung hinzugezogen." Meldungen wie diese füllen regelmäßig die Chronikspalten der Zeitungen. Von Angestellten, die wegen zunehmenden Zeitdrucks bei gleichzeitig steigenden Arbeitsanforderungen oder anderen psychischen Belastungen im Job in Depressionen stürzen, liest man in der Regel nichts.

Ob auf der Baustelle, am Hochofen, an der Supermarktkassa, hinter dem Verkaufspult, am Kundenschalter oder am Schreibtisch - die Örtlichkeiten, an denen sich Berufstätige ihre Brötchen verdienen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Und sie bergen auch unterschiedliche Risiken für die Gesundheit. Seit 1995 sind Arbeitgeber verpflichtet, Gefahren am Arbeitsplatz zu ermitteln, zu beurteilen und zu dokumentieren - und zu beseitigen. 2013 wurde mit einer Novelle des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG) klargestellt, dass Mitarbeiter nicht nur vor physischen, sondern auch vor psychischen Belastungen zu schützen sind. Diese Botschaft ist mittlerweile auch bei den Unternehmen angekommen, wenn auch anfänglich mit Skepsis.

"Arbeitnehmerschutz wirdsehr ernst genommen"

"Der Arbeitnehmerschutz wird in Österreich sehr ernst genommen. Wir haben ein sehr strenges Regime", sagt Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit in der Wirtschaftskammer. Den wiederholten Forderungen der Arbeitnehmervertreter nach noch mehr Gesundheitsschutz erteilt er eine klare Absage. Zuletzt hatte die Arbeiterkammer Oberösterreich den Betrieben zu wenig Verantwortungsbewusstsein vorgeworfen sowie verstärkte Kontrollen und schärfere Strafen bei Gesetzesverstößen gefordert.

"Die Betriebe sind’s leid. Sie brauchen keine zusätzlichen Belastungen", ärgert sich Gleitsmann darüber, dass "da ständig an irgendwelchen Schrauben gedreht wird, damit man es den Unternehmern noch schwerer machen kann".

Laut Arbeiterkammer könnten die Arbeitsbedingungen besser sein. Sie verweist auf Zahlen der Statistik Austria, wonach 73 Prozent der Arbeitnehmer ein Risiko sehen, durch den Job körperlich krank zu werden. 40 Prozent befürchten, seelisch krank zu werden. "EU-weit machen 76 Prozent der Unternehmen eine ständige Evaluierung ihrer Arbeitsbedingungen. In Österreich tun dies nur 56 Prozent", moniert die AK und fordert, dass Unternehmen, die bis heute noch nicht einmal damit angefangen haben, die psychischen Belastungen zu evaluieren, spürbar gestraft werden und dass die Zahl der Arbeitsinspektoren aufgestockt wird.

Dazu sagt Anna Ritzberger-Moser, Leiterin der Sektion Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat im Sozialministerium: "Ich betrachte es schon als Erfolg, dass das Arbeitsinspektorat in den letzten Jahren vom Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst ausgenommen war." Zurzeit sind
310 Mitarbeiter der Arbeitsinspektion kontrollierend und beratend in ganz Österreich unterwegs. Der Informationsbedarf ist nach wie vor groß. "Am Anfang herrscht Ratlosigkeit", sagt die Arbeitspsychologin Veronika Jakl. Sie begleitet Organisationen bei der Evaluierung psychischer Belastungen.

"Wir untersuchen den Sessel, nicht den Menschen"

"Es gibt mehrere Verfahren, die eingesetzt werden können", so Jakl, etwa Mitarbeiterbefragungen. Diese müssen aber nach bestimmten, vom Arbeitsinspektorat anerkannten Methoden durchgeführt werden. Was die Arbeitspsychologen nicht erheben, ist die psychische Befindlichkeit der Mitarbeiter. Jakl: "Wir untersuchen den Sessel, nicht den Menschen."