Schulische Arbeit ist in den vergangenen Jahrzehnten teils zu einem individuellen Ermessensprogramm verkommen.
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Hat der Arbeitskräftemangel mit Arbeitsunwilligkeit und Arbeitsunfähigkeit zu tun? Das Arbeiten lernt man in der Schule. Individuelle Traumberufe aber entdeckt man meist viel früher - nämlich bereits im Kindergartenalter.
Arbeiten lernen heißt, über einen längeren Zeitraum hinweg gegen innere Widerstände regelmäßige und plangeleitete Anstrengungen zu unternehmen, um ein definiertes Ziel zu erreichen - sich etwa Wissen und Können anzueignen. Kinder werden dabei von Schule und Eltern unterstützt. So sieht es die Österreichische Bundesverfassung im Artikel 14 vor.
Folgt man der oben zitierten Definition, dann ist der Erwerb der Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen tatsächlich Arbeit - "Kinderarbeit". Mit der Aneignung des Sprechens und der Grundkompetenzen erbringen wir die größte Lernleistung unseres Lebens! Gesetzeswerke, Politik und Zivilgesellschaft fordern, dass die Schule auf das Leben vorzubereiten hat. So ist das "Erlernen des Arbeitens" über die gekonnte und konsequente Aneignung des Lesens, Schreibens und Rechnens ein alternativloses Muss wie auch die Vertrautheit mit Regelwerken, die es aus guten Gründen zu beachten gilt.
Doch schulische Arbeit ist in den vergangenen Jahrzehnten teils zu einem individuellen Ermessensprogramm verkommen. Das klare "Wir schreiben den Satz nun von der Tafel ab" von einst ist zum individualisierenden "Magst du diese Zeile jetzt von der Tafel abschreiben?" geworden. Und wenn die Schülerantwort "Nein ich mag das nicht!" lautet, wird diesem "mutigen Akt der kindlichen Selbstbestimmtheit" applaudiert. So wurde das konsequente Arbeiten-Lernen in der Schule diskreditiert, oft gar abgeschafft.
Seit geraumer Zeit treffen zwei parallel verlaufende Entwicklungen aufeinander. Bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten warnten Studien, dass die Beherrschung des Lesens, Schreibens und Rechnens - unser "Turbo" zum Erwerb der Erkenntnis-, Abstraktions-, Zukunfts- und Demokratiefähigkeit - teils deutlich sinkt. Zeitgleich vermehrten sich Klagen von Firmen, dass es Lehrlingen an einer "positiven Arbeitshaltung" - Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Engagement - und am gekonnten Lesen, Schreiben und Rechnen mangle: "Es sieht aus, als hätten die jungen Menschen das Arbeiten in der Schule teils nicht gelernt!" Heute klagen selbst Universitäten über diese Symptome und führen notgedrungen mehrsemestrige "Nullerkurse" zum Nachholen der Grundkompetenzen.
Das Arbeiten nicht gewohnt sein - Arbeitsunwilligkeit und Arbeitsunfähigkeit sind die Folgen. Dies hat die Bildungspolitik zu verantworten. Die Schüler von Arbeit "entlasten" zu wollen, war gut gemeint, doch die Folgen sind verheerend: Hunderttausenden offenen Stellen steht ein massiver Mangel an arbeitswilligen und arbeitsfähigen Bewerbern gegenüber. Keine Probleme mit Arbeitswilligkeit und Arbeitsfähigkeit haben jene, die von sich behaupten, ihre individuellen Traumberufe - jeder kann ein solcher sein - gefunden zu haben. So gut wie alle diese Glücklichen haben die Inspiration für ihre Traumberufe in der frühesten Kindheit, lange vor dem Schuleintritt, erhalten. Das ist ein Weckruf für Kindergärten und Eltern. Man sollte ihn hören und die richtigen "tätigen" Konsequenzen daraus ziehen.