"Österreichisches Arbeitsrecht ist unternehmerfreundlich." | Bei Massenkündigungen muss ein Frühwarnsystem eingehalten werden. | Wien.Heimische Arbeitgeber haben in der Wirtschaftskrise einen großen Vorteil gegenüber den Firmenchefs in vielen anderen EU-Ländern: Sie können leichter kündigen. "Das österreichische Arbeitsrecht ist im Vergleich zu Deutschland, Italien oder Slowenien sehr liberal und unternehmerfreundlich", versichert Rechtsanwalt Bernhard Hainz von der Kanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
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Strenge Regeln in Italien
In Deutschland müssten Kündigungen etwa begründet werden, in Italien sei ein Mitarbeiter nach einer gewissen Tätigkeitsdauer im Unternehmen sogar "praktisch pragmatisiert".
Anders ist die Lage hierzulande, weiß Hainz, der in Verfahren überwiegend die Arbeitgeberseite vertritt. Erstens muss in Österreich eine Kündigung nicht begründet werden. "Grundsätzlich dürfen unternehmerische Entscheidungen, die Kündigungen nach sich ziehen, durch die Gerichte nicht hinterfragt werden", erklärt Christoph Wolf, ebenfalls Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz.
Es gibt auch keinen allgemeinen Kündigungsschutz. Besondere Regeln gelten lediglich für einzelne Personengruppen wie zum Beispiel den Betriebsrat oder werdende Mütter.
Freilich muss der Arbeitgeber einige Regeln bei der Kündigung beachten. Er muss den Betriebsrat vorher informieren, der innerhalb von fünf Tagen zur geplanten Auflösung des Arbeitsverhältnisses Stellung nehmen kann. Vor Ablauf dieser Frist darf keine Kündigung ausgesprochen werden - falls doch, ist sie nichtig.
Wenn der Betriebsrat der Kündigung zustimmt oder sich dazu nicht äußert, hat der einzelne Mitarbeiter nur geringe Chancen auf eine erfolgreiche Anfechtung. Er kann sich in der Regel nur mehr darauf berufen, dass die Kündigung wegen eines vom Gesetz missbilligten Motivs wie etwa der Tätigkeit in Gewerkschaften oder der Inanspruchnahme von Bildungskarenz erfolgt ist.
Die Sozialwidrigkeit einer Kündigung kann laut Wolf in der Regel nur dann eingewendet werden, wenn der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich widersprochen hat. Sozialwidrig wäre es, wenn eine betriebsbedingte Kündigung einen Mitarbeiter wesentlich härter treffen würde als einen anderen, was zum Beispiel bei älteren Arbeitnehmern oft angeführt wird. Eine Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit kommt laut Wolf jedoch "sehr selten" vor.
Vergleichsdruck
Kommt es zu einem Kündigungsanfechtungsverfahren, so endet dieses laut dem Rechtsanwalt "zu 80 Prozent mit einem Vergleich". Hintergrund: Bis zur Gerichtsentscheidung kann viel Zeit vergehen. Wird dann in einem Jahr entschieden, dass die Kündigung rechtswidrig war, muss der Arbeitgeber den Lohn für das ganze Jahr nachzahlen, obwohl der Mitarbeiter nicht mehr arbeiten war. "Auf den Arbeitgeber wird dadurch ein Vergleichsdruck ausgeübt", so Wolf.
Vorsicht ist geboten, wenn mehrere Mitarbeiter auf einmal gekündigt werden sollen. Der Arbeitgeber muss hier ein spezielles Frühwarnsystem einhalten und das Arbeitsmarktservice im Vorhinein von den Kündigungen informieren.