Arbeitslose können künftig nach 100 Tagen in einen anderen als den zuletzt ausgeübten Beruf vermittelt werden - der Berufsschutz fällt. Darauf haben sich gestern die Sozialpartnerspitzen, ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, geeinigt. Ihr Vorschlag wurde bereits Wirtschaftsminister Martin Bartenstein unterbreitet, der sich nach dem Ministerrat davon angetan zeigte.
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Der klassische Berufsschutz ist Geschichte. Denn schon nach 100 Tagen müssen Arbeitslose künftig auch eine andere als die erlernte oder zuletzt ausgeübte Tätigkeit akzeptieren. Tun sie das nicht, dann droht eine Sperre des Arbeitslosengeldes. Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Sozialpartner auf die "Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen" geeinigt. Die Wirtschaftsvertreter, die seit langem schon die Aufhebung des Berufsschutzes gefordert haben, konnten sich also in diesem Punkt durchsetzen.
Doch damit die Arbeitslosen von der neuen Vermittlungsanweisung nicht allzu hart getroffen werden, wurde der Entgeltschutz eingeführt. Das bedeutet: Innerhalb der ersten 120 Tage Arbeitslosigkeit darf die Bezahlung im neuen Job nicht unter 80% des vorherigen Gehalts liegen, danach sinkt sie auf 75%. Hier wurde also der Arbeitnehmervertretung entgegengekommen, denn der Entgeltschutz war seit jeher eine Forderung des ÖGB.
Auch wird künftig die Vermittlung über Gemeindegrenzen hinweg möglich sein. Die zumutbare Wegzeit wird stattdessen zum Richtmaß. Sie soll nicht mehr als ein Viertel der Arbeitszeit ausmachen. Bei Teilzeit muss der Betroffene bis zu eineinhalb Stunden Fahrzeit akzeptieren.
Neben den Verschärfungen wollen die Sozialpartner nun Arbeitslose besser betreut wissen. Dazu muss das Arbeitsmarktservice (AMS) per Gesetz angehalten werden, einen Betreuungsplan zu erstellen, in dem sichergestellt ist, dass die Qualifikation des Arbeitssuchenden nicht absinkt. Verzetnitsch ist sogar zuversichtlich, dass es in Zukunft ein größeres Ausbildungsangebot geben wird.
Doch woher das AMS die notwendigen Mittel nehmen soll, ist noch ein Rätsel. Das AMS hat - nicht zuletzt wegen der massiv steigenden Arbeitslosigkeit - große Budgetprobleme. Dieses Jahr wurde noch eine Rücklage aufgelöst. Hält der Trend an, dann werden schon im nächsten Jahr Ausbildungsmaßnahmen reduziert.
Während Verzetnitsch davon ausgeht, dass mit der gesetzlichen Umsetzung auch die Finanzierung des Betreuungsplans vom Bund gesichert werden muss, ist Leitl in diesem Punkt weniger verbindlich. Er geht davon aus, dass durch die neue Regelung viele früher als bisher einen Job annehmen müssen, wodurch dem AMS mehr Geld bleibt. Weiters verweist er auf die Länder, denen aktive Arbeitsmarktpolitik auch etwas wert sein sollte. Bei Notstands- und Sozialhilfe sind derzeit keine Änderungen geplant. Ein Hauch von Skepsis kommt deshalb von den Grünen. Sozialsprecher Karl Öllinger vermisst Innovationsgeist. Er fordert, dass der Einkommensschutz auch für Notstands- und Sozialhilfebezieher gelten soll. "Aber die neue Aufgabe der Sozialpartner ist es anscheinend, bei Verschärfungen das Schlimmste zu verhindern."