"Begleitende Maßnahmen" mit schweren Folgen. | Strengere Gesetze. | Wien. Wer arbeitslos ist und sich weigert, einem Auftrag des Arbeitsmarktservice (AMS) zur Nachbeziehungsweise Umschulung zu entsprechen oder an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, kann sein Arbeitslosengeld für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für sechs Wochen, verlieren. Gleiches gilt, wenn der Arbeitslose den Erfolg der Schulung vereitelt. Die Verhängung einer solchen Sanktion ist allerdings an strenge Voraussetzungen gebunden. Die Judikatur zeigte sich bisher gegenüber den Arbeitslosen verständnisvoller, als es von der Gesetzgebung gewünscht war. Mit 1. Jänner 2008 sind Gesetzesänderungen in Kraft, die der gewachsenen Judikatur gegensteuern.
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Mit Entscheidung vom 24. Jänner 2006, wiederholte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) etwa seine Rechtsansicht, dass über einen Arbeitslosen keine Sanktion zu verhängen ist, wenn dem Arbeitslosen nicht erklärt wird, welche konkreten Defizite seine bisherige Ausbildung aufweist und weshalb gerade die ausgewählte Maßnahme geeignet ist, diesen Mängeln entgegenzuwirken.
Wenn die angedachte Maßnahme als solche nicht geeignet ist, Defizite zu beheben, ist eine Weigerung nicht sanktionierbar. Das gilt auch, wenn die Maßnahme darin besteht, die Vermittlung eines Arbeitsplatzes einem privaten Unternehmen zu überlassen, den Arbeitslosen durch Arbeitnehmer dieses Unternehmens bei der Bewerbung zu vertreten sowie diesen "das Moderieren und Begleiten des Vorstellungsgesprächs und in weiterer Folge für die ersten beiden Monate des Arbeitsverhältnisses" zu überlassen (wobei völlig unklar ist, worin diese Betreuung - abgesehen von der Zulassung jederzeitiger Hausbesuche - besteht).
Für derartige, an eine Art "Bewährungshilfe für Langzeitarbeitslose" gemahnende Eingriffe in das Privatleben bietet das Gesetz keine Grundlage. Folglich besteht auch keine Grundlage dafür, das Arbeitslosengeld zu sperren. Solche Unterstützungsmaßnahmen mögen zwar im Wege von Vereinbarungen zulässig sein, wenn der Arbeitslose diese Art der Unterstützung wünscht, sie sind aber nicht im Wege einer Sanktion erzwingbar.
Mit Entscheidung vom 21. Dezember 2005, wurde eine vom AMS verhängte Sanktion, nachdem sich der Arbeitslose geweigert hatte, weiterhin an einem Einzelcoaching teilzunehmen, vom VwGH aus drei Gründen aufgehoben. Zum einen wurde der Arbeitslose nicht über die Sanktion (Entfall des Arbeitslosengeld) informiert. Zweitens basierte das Einzelcoaching auf einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem AMS und dem Arbeitslosen. Damit beruhte die Coachingmaßnahme aber nicht auf einer vom AMS ausgehenden verpflichtenden Zuweisung.
"Freiwilliges" Coaching
Und drittens meldete das Gericht Zweifel an, ob dieses Coaching überhaupt streng genommen eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sei. Weiters sei fraglich, ob es mit den Zielsetzungen des Coachings überhaupt vereinbar wäre, auf das Element der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme einer solchen Unterstützung zu verzichten.
Die bisherige Linie hat den Gesetzgeber auf den Plan gerufen. Ab 2008 gelten nun folgende Gesetzeszusätze:
1. Auch die Ablehnung von Arbeitsverhältnissen im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebs oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekts wird sanktionierbar.
2. Die Verpflichtung des AMS, dem Arbeitslosen die Gründe für die Notwendigkeit oder Nützlichkeit seiner Teilnahme an einer Maßnahme bekanntzugeben, besteht nur mehr, wenn diese Gründe aufgrund der vorliegenden Umstände nicht ohnehin als bekannt vorausgesetzt werden können.
3. Eine Maßnahme zur Wiedereingliederung kann auch auf die persönliche Unterstützung bei der Arbeitssuche abzielen.
Man darf gespannt sein, wie sich die Judikatur der nächsten Zeit entwickeln wird.
Andreas Gerhartl ist Personalleiter des Arbeitsmarktservice Niederösterreich. Ein ausführlicher Beitrag zu dem Thema erscheint auch in der Fachzeitschrift "PV-Info" des Linde Verlags.