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Arbeitslosen-"Exporte": SP und AK schreien auf

Von Michael Schmölzer

Politik

Fast alle "alten" EU-Staaten haben im Zuge der Erweiterung ihre Arbeitsmärkte für Bürger aus den neuen EU-Ländern für maximal sieben Jahre gesperrt. Die Beschränkung der Arbeitnehmer-Mobilität ist ein permanenter Stein des Anstoßes vor allem für die Slowakei, die seit geraumer Zeit einen wirtschaftsliberalen Kurs fährt. Ein spektakulärer Vorstoß Bratislavas, wonach arbeitslose Slowaken dann gefördert werden sollen, wenn sie einen Job in den angrenzenden Nachbarländern finden, hat am Dienstag in Österreich zu heftigen Reaktionen geführt. SPÖ und Arbeiterkammer sehen in dem Vorschlag eine gezielte Provokation, die ÖVP und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel stehen der Initiative gelassen gegenüber.


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Die Regierung in Bratislava - so vermelden slowakische Medien - will Arbeitslosen eine Prämie zahlen, wenn sie in den EU-Nachbarstaaten, also auch in Österreich, nach Arbeit suchen. Demnach sollen zur Förderung der Mobilität die kompletten Reisekosten zum neuen Arbeitsplatz abgedeckt werden. Wie eine Sprecherin des Arbeitsministeriums gegenüber der dpa bestätigte, soll die Prämie in einem zunächst auf maximal 4.000 Teilnehmer begrenzten Test von den Arbeitsämtern ausgezahlt werden. Voraussetzung sei, dass die Empfänger mindestens drei Monate als Arbeit Suchende registriert waren. Zielländer seien die Nachbarn Österreich, Ungarn, Tschechien und Polen.

Die Slowakei hat mit knapp 18 Prozent die zweitgrößte Arbeitslosenrate innerhalb der EU, Österreichs östlicher Nachbar wird hier nur noch von Polen übertroffen.

SPÖ: "Falsche Politik"

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures bezeichnete das Vorhaben als "extrem unsolidarisch". Der Export von Arbeitslosen aus der Slowakei sei weiteres Detail einer falschen europäischen Politik, so Bures. Das Problem-Verschieben von einem EU-Land in das andere sei nicht das, was die SPÖ unter europäischer Solidarität und einer ambitionierten Europapolitik verstehe. Für Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel ist die Vorgangsweise der Slowaken "schlichtweg inakzeptabel" wie er gegenüber der "Wiener Zeitung" betonte. In diesem Zusammenhang forderte Tumpel die Bundesregierung auf, "entschiedene Maßnahmen gegen die organisierte illegale Schwarzarbeit" aus den neuen EU-Ländern zu setzen.

Der AK-Chef bezieht sich dabei auf so genannte "Ein-Mann-Unternehmen" in der österreichischen Baubranche. Seit der EU-Erweiterung ist es für der Bürger aus den neuen EU-Staaten möglich, in Österreich Gewerbescheine im Bauhilfsgewerbe zu erhalten. Diese relativ leicht erhältlichen Lizenzen berechtigen etwa zum Aufstellen von Gipskartonwänden. In der Realität handelt es sich bei diesen Unternehmern allerdings zumeist um Hilfsarbeiter, die zu einem geringen Lohn und von einem Polier beaufsichtigt arbeiten. Die AK kritisiert unter anderem, dass der Allgemeinheit dadurch beträchtliche Summen an Sozialversicherungsbeiträgen entgingen.

Für Österreich bestehe keine Gefahr einer "Überschwemmung" mit slowakischen Arbeitssuchenden, so die Reaktion von ÖVP-Sozialsprecher Walter Tancsits zum Vorstoß der Slowakei. "Wir haben unseren Arbeitsmarkt gegenüber den neuen EU-Mitgliedern mit einer siebenjährigen Übergangsfrist klug und vorausschauend abgesichert." Der SPÖ warf Tancsits vor, "ihre populistischen Anti-EU-Spielchen" fortzusetzen. Die SPÖ avanciere immer mehr zur "populistischen Anti-Europa-Partei". Sozialstaatssekretär Sigisbert Dolinschek (BZÖ) allerdings bezeichnete die Vorgangsweise des Slowakischen Arbeitsministeriums als "einen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Wahnsinn". Er forderte die Slowakei auf, von der Idee unverzüglich Abstand zu nehmen.

Schüssel: "Unlogisch"

Mit Verwunderung reagierte Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auf den slowakischen Vorstoß. Schüssel verwies zum einen auf die in Österreich geltenden Übergangsfristen, zum anderen sei kaum vorstellbar, dass jemand in der Slowakei auf seine Arbeitslosenunterstützung verzichte, um dann in Österreich einen Job zu suchen - den er wegen der Zugangsbeschränkungen nicht bekommen könne.