Seit fünf Jahren ist Ilse Huber selbständig. Die Landschaftsgestalterin ist wie alle Gewerbetreibenden zwar sozial- und pensionsversichert, hat aber keine Absicherung, falls das Firmenabenteuer schief geht. Doch das soll sich bald ändern. Für derzeit rund 400.000 neue Selbständige, Unternehmer mit Gewerbeschein und freie Dienstnehmer soll es ab 1. Jänner 2005 eine freiwillige Arbeitslosenversicherung geben.
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Nach dem Beitritt soll es laut Raphael Draschtak, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, eine völlige Gleichstellung mit den Pflichtversicherten geben. "Besonders für neue Selbständige und Gewerbescheininhaber, die nur für einen oder zwei Auftraggeber tätig sind, wäre eine Krisenvorsorge interessant", ist Steuerberaterin Casandra Hermann von taxservices, spezialisiert auf Kleinbetriebe, überzeugt. Denn bleibt der Auftrag aus, ist der Unternehmer plötzlich ohne Einkommen. Abfertigung oder Kündigungsschutz gibt es nicht.
Zwischen 71,9 Euro und 241,5 Euro monatlich
Der Arbeitslosenbeitrag soll die Selbständigen nach derzeitigem Stand 6% der Bemessungsgrundlage der Pensionsversicherung kosten. Bei den Angestellten hingegen übernimmt die Firma 3%. Huber würde gerne eine Arbeitslosenversicherung abschließen. Denn das unternehmerische Risiko ist hoch, wie ein Blick auf die Pleitenstatistik zeigt. An die 5.500 Unternehmen werden laut Kreditschutzverband jährlich zahlungsunfähig.
Wie viel müsste nun die Landschaftsgestalterin für ihre Versicherung monatlich zahlen? Ab dem vierten Jahr beträgt für Selbständige die Mindestbemessungsgrundlage 1.198,39 Euro. 6% davon macht 71,9 Euro, und das wäre Hubers Beitrag. Je nach Gewinn steigt die Bemessungsgrundlage bis zu 4.025 Euro und die Versicherung kostet dann maximal 241,5 Euro. "Zu viel", sagt Huber entschieden. "Gerade Jungunternehmer mit knappen Kassen und hohem Risiko können sich das Angebot nicht leisten", vermutet Hermann. Doch gerade die wären als Mitzahler wichtig. Denn der Gründerboom der letzten Jahre ist auf Einzelunternehmen und neue Selbständige zurückzuführen. Insbesondere für sie wird nach Reinhold Mitterlehner, Generalsekretär-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Österreich, immer öfter die Frage nach "einer Absicherung im Falle des redlichen Scheiterns, bei Betriebsaufgaben, aber auch bei krankheitsbedingter Erwerbsunterbrechung oder bei unverschuldeten Notlagen" gestellt. Arbeitsmarktexperte Josef Wallner von der Arbeiterkammer findet es nicht fair, dass die immer größer werdende Zahl an neuen Selbständigen und freien Dienstnehmern "die vollen 6% zahlen sollen". Viele waren jahrelang angestellt, wurden abgebaut und mangels Alternative unfreiwillig zu Unternehmensgründern. Der Job ist gleich geblieben, nur die Bedingungen sind schlechter. Der Beitrag sollte deshalb nach Meinung Wallners zwischen Arbeitgeber und -nehmer gesplittet werden: 3% für jeden.
Versicherung ja, aber freiwillig
Die Wirtschafts- und die Arbeiterkammer stehen dem von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein vorgelegten Entwurf grundsätzlich positiv gegenüber. Niemand soll aus dem sozialen Netz herausfallen. Darin besteht Einigkeit. Streitpunkte gibt es trotzdem. Wallner setzt sich für eine Pflichtversicherung ein. Arbeitslosigkeit lässt sich nur dann finanzieren, wenn alle einen Beitrag leisten. Die Wirtschaftskammer lehnt eine Zwangsversicherung ab.
Die im Gesetzesentwurf vorgegebene fünfjährige Bindungsfrist an die Versicherung soll vor Missbräuchen schützen. "Wir wollen keine Trittbrettfahrer", sagt Wallner und ist in diesem Punkt mit Bartenstein einer Meinung. Unternehmer sollen nicht kurz vor der Pleite noch schnell auf den Versicherungszug aufspringen können. Wer die Arbeitslosenversicherung abschließt, muss dabei bleiben. Huber hätte ab Jänner 2005 sechs Monate Zeit, sich für oder gegen einen Beitritt zu entscheiden. Nächste Gelegenheit hätte sie erst wieder 2010. Schließt sie ab, kann sie frühestens nach fünf Jahren ohne selbständiger Arbeit wieder aussteigen.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte die 38-jährige nach 52 Wochen. Sie würde 55% des von der Sozialversicherungsbemessungsgrundlage ermittelten Wertes netto als Arbeitslosengeld ausbezahlt bekommen. Konkret zwischen 658,9 und 2.300 Euro. Arbeitslose Selbständige sind mit der Versicherung auch krankenversichert, bekommen nach der Arbeitslosen Notstandshilfe und erwerben Ersatzzeiten für die Pension. Allerdings verfallen künftig bereits nach drei Jahren die Ansprüche auf Arbeitslosengeld aus früheren unselbständigen Tätigkeiten. Derzeit sind sie unbefristet.
Huber würde unter den derzeitigen Bedingungen keine Arbeitslosenversicherung abschließen, denn die Prämie ist ihr zu hoch und die Bindungsfrist zu lang.