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Arbeitsmarkt: Die Krise hat die Russen verändert

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Jobkandidaten sind mit weniger zufrieden, Wechselwille ist aber gering. | Wien. Die Werte haben sich verschoben: "Noch vor zwei Jahren hat jeder Russe nur an das Geld gedacht. Jetzt werden plötzlich auch alle anderen Incentives wichtig", sagt Arthur Oberascher, ehemals Chef der Österreich-Werbung und seit 2006 Managing Partner des Personalberaters Hill International in Russland und der Ukraine.


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Die Phase der überhitzten Einkommenszuwächse sei krisenbedingt fürs Erste vorbei. Job-Kandidaten geben sich heute mit geringeren Einkommen (bis zu 30 oder 40 Prozent) zufrieden. Unternehmensgründer Othmar Hill erwartet zwar wieder ein Anziehen der Gehälter, aber deutlich langsamer als in der Vergangenheit. Die Schere zwischen den Metropolen wie Moskau und St. Petersburg und anderen Gegenden ist groß: Das durchschnittliche russische Bruttoeinkommen lag zuletzt bei umgerechnet 420 Euro.

Im Zuge der Krise stoßen die Consulter auf neue Schwierigkeiten: Die Bereitschaft zum Wechseln ist gesunken - es wird deutlich länger und intensiver überlegt und abgewogen, bevor der Sprung gewagt wird, so Oberascher. Jobsicherheit und Arbeitsklima gewinnen an Bedeutung. Die Unternehmensstrukturen seien oft noch patriarchalisch geprägt, Frauen preschen aber in allen Bereichen des Geschäftslebens vor.

Riesenpotenzial an Unis

Eine generelle Tendenz sieht Oberascher darin, dass in Russland verstärkt lokale Manager gesucht werden. Für Funktionen im Topmanagement macht sich Hill in der Regel direkt auf die Suche nach geeigneten Kandidaten, für das mittlere Management wird vornehmlich über Internet gesucht. Spezialisten werden oft direkt von den Unis wegrekrutiert - ein Riesenpotenzial: In Russland gibt es nicht weniger als 1090 Universitäten, 660 staatliche und 430 private, mit 7,5 Millionen Studenten.

Bei der Beurteilung von Jobkandidaten verlässt sich Hill International vornehmlich auf die eigenen Bewertungsmechanismen: Schriftliche Bewerbungen seien in Russland bisweilen wenig vertrauenswürdig, erzählt Oberascher - ebenso wie Referenzen. Entscheidend seien somit die Testverfahren sowie die Interviews.

"Die Russen legen einen großen Fokus auf Prestige", sagt Oberascher. Nicht zuletzt deshalb sei im Geschäftsalltag eine gediegene äußere Erscheinung ein Muss - wer ungepflegt auftrete, werde dementsprechend behandelt. Die russische Bürokratie wiederum ist eine gute Schule der Gelassenheit - Flexibilität und Geduld seien gefragt.

Letzter Tipp: Wer die Expansion nach Russland plane, müsse jetzt aktiv werden - am besten hätte er es schon gestern getan.