Der Opposition gehen die geplanten Maßnahmen der Sozialpartner für den Arbeitsmarkt nicht weit genug.
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Wien. Die Zeit drängt. Mehr als 391.000 Arbeitslose Ende September und ein Anstieg um 6,1 Prozent - seit dem Nachkriegsjahr 1946 war die Arbeitslosenrate nicht mehr so hoch wie jetzt. Der Winter wird die Situation am Arbeitsmarkt weiter verschärfen. Bis zu eine halbe Million Arbeitslose könnte es geben, warnte das AMS. Bei den Sozialpartnern besteht Einigkeit: Diese "Horrorzahl" müsse verhindert werden.
Wie seit Monaten angekündigt, findet heute, Freitag, der Arbeitsmarktgipfel der Sozialpartner statt. Eine detaillierte Agenda gab es am Donnerstag noch nicht, angesichts der eher mauen Aussichten auf die Konjunkturentwicklung soll es ein "Wachstumsgipfel" werden. Einen kleinen Lichtblick immerhin gibt es: Der Bank Austria zufolge sei zumindest ein moderater Anstieg der Beschäftigten in der Industrie zu erwarten. Die gute Auftragslage habe neue Jobs entstehen lassen.
Stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind ältere Arbeitnehmer: Gleich 18,5 Prozent Steigerung bei Personen über 55 gab es im ersten Halbjahr 2015. Schon lange wird deshalb über ein Bonus-Malus System diskutiert, das Strafzahlungen für Firmen vorsieht, die zu wenig Ältere beschäftigen. Es ist mehr als fraglich, ob es dazu kommt: Der Wirtschaftsbund ist strikt dagegen, für Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ist der Vorschlag "Nebensache". ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner will stattdessen zuerst ein "Monitoring" einführen. Dieses brauche es, "um zu sehen, in welchen Branchen das Problem besonders groß ist", sagte Mitterlehner am Mittwoch zu den "Salzburger Nachrichten". Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske erwartet, dass das System kommt, immerhin sei es bereits im Regierungsabkommen festgelegt worden.
Senkung der Lohnnebenkosten
ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling kündigte bereits Mitte Oktober in seiner Budgetrede eine Senkung der Lohnnebenkosten im Ausmaß von 1,3 Milliarden Euro an. Diese solle vor allem über den Familienlastenausgleichsfonds laufen, auch Mitterlehner hält eine Senkung des Arbeitgeber-Beitragssatzes von 4,5 Prozent für möglich. Für eine ausreichende Senkung der Lohnnebenkosten im Jahr 2016 fehle laut Schelling der budgetäre Spielraum.
Außerdem soll eine Wohnbau-Initiative mit Mitteln der Europäischen Investmentbank in der Höhe von 700 Millionen Euro Jobs schaffen. Zudem sollen weitere Gelder für arbeitsmarktbezogenen Maßnahmen lockergemacht werden, auch hinsichtlich der Arbeitslosigkeit unter Asylberechtigten und Flüchtlingen.
Die Oppositionsparteien zeigten sich am Donnerstag wenig erwartungsvoll, dass der Gipfel zu den gewünschten Ergebnissen führen wird. FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl war für die "Wiener Zeitung" nicht erreichbar, in einer Aussendung kritisiert er das zu erwartende "Extrabudget für Flüchtlinge". "In Österreich steht eine Horrorarbeitslosigkeit bevor, und SPÖ und ÖVP pumpen Millionen in Asylwerber", so Kickl.
Kritik der Opposition
"Nicht glücklich" ist auch die grüne Arbeitnehmer-Sprecherin Birgit Schatz. "Man einigt sich schon im Vorfeld auf Kleinigkeiten und präsentiert sie dann groß auf einem Gipfel. Es ist an der Zeit, Arbeitsmarkt- und Standortpolitik gemeinsam zu denken, mit Experten zu diskutieren und erst dann gemeinsam Lösungen zu entwickeln", so Schatz. Zwar würde laut Wifo eine Lohnnebenkostensenkung um eine Milliarde 12.000 neue Arbeitsplätze bringen, es sei damit aber keineswegs garantiert, dass diese Entlastung für Unternehmen auch neue Jobs bringen würde. "Die Maßnahme ist nicht steuerbar", so Schatz. Auch das Bonus-Malus-System, sollte es denn kommen, sei "zu wenig". Es fehle an umfassenderen Maßnahmen, um Ältere länger in Beschäftigung zu halten, wie etwa Fortbildungsmaßnahmen während des gesamten Erwerbslebens. "Wir müssen auch unbedingt unemotional über das Thema Arbeitszeit diskutieren", ist Schatz überzeugt.
Der Arbeitsmarktgipfel stehe leider unter dem Motto: "Investieren wir uns aus der Krise hinaus", sagte Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. "Die Regierung will eine Lohnnebenkostensenkung und führt eine beschäftigungsabhängige Abgabe ein", ärgert sich Loacker über den Vorschlag zum Bonus-Malus-System. Man konterkariere sich mit diesem Zugang selbst. Die Erwartungen an die Effekte einer Wohnbau-Initiative solle man nicht zu hoch schrauben. "Was immer da kommt, befreit die Regierung nicht davon, ihre Hausaufgaben zu machen", so Loacker.
Von einer "Kriminalisierung von Unternehmern" spricht Waltraut Dietrich vom Team Stronach. Das Bonus-Malus-System führe zu noch weiterer "Überregulierung" und sei der falsche Ansatz, es gehe um unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen. Immerhin die avisierte Lohnnebenkostensenkung begrüßt Dietrich als "längst überfällig".