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Arbeitsnomaden sind gefragt und schwer zu finden

Von Eva Mandl

Wirtschaft

Unternehmen schicken mobile Mitarbeiter für längere Zeit ins Ausland. Zwei Jahre London, drei Kiew und zwei weitere Bombay - Arbeitsnomaden sind ständig auf Achse. Sie haben meist Top-Universitäten absolviert, sprechen mehrere Sprachen, sind männlich, Singles, gut verdienend und von den Unternehmen gefragt wie nie zuvor. Doch Mitarbeiter mit Auslandsambitionen sind in unseren Breiten schwer zu finden.


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Die Unternehmen auf dem globalisierten Markt reißen sich um hoch qualifizierte und mobile Mitarbeiter, die die Brücken in die Heimat schlagen, bestätigt Andreas Landgrebe vom Personalberatungsunternehmen Jenewein & Partner. Immer mehr Firmen engagieren sich international. Um im Wettbewerb die Nase vorn zu haben, schicken Unternehmen immer häufiger qualifizierte, unabhängige und motivierte Arbeitnehmer aus dem Mutterkonzern in die ausländischen Tochterfirmen. Denn neben Kapital und lokalem Know How ist ein Team, das die Kerngeschäfte, die Entscheidungsträger und die Netzwerke des Unternehmens kennt, die Basis zum Erfolg. Auch in Zeiten von Videokonferenzen und E-Mails werden Jobnomaden gebraucht. Firmenidentität, -kultur und -philosophie lassen sich nicht per Videokonferenz oder in mehrwöchigen Trainingssessions transportieren. Trotz der starken Nachfrage sind begeisterte Nomaden die Ausnahme.

Die Österreicher sind beruflich wenig mobil

Die meisten Österreicher wollen nicht im Ausland arbeiten. Andreas Kirschhofer, Geschäftsführer des IMAS-Meinungsforschungsinstitutes in Linz bezeichnet die Österreicher als heimatbezogen und beruflich wenig mobil. Nur sieben Prozent können sich vorstellen, für einige Zeit in einem anderen Land zu leben und zu arbeiten, hat er in einer Befragung über die Zukunftspläne der Österreicher festgestellt. Nicht nur österreichische Firmen rangeln auf dem weltweiten Arbeitsmarkt um die besten Köpfe: In den kommenden fünf Jahren werden über zwei Drittel der europäischen Unternehmen mehr international arbeitende Mitarbeiter beschäftigen als bisher. Das geht aus einer aktuellen Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) hervor. Über 400 Firmen in Europa wurden dafür befragt. Unternehmen klagen bereits jetzt über den Mangel an qualifiziertem Personal, das ins Ausland will. "1,5 Millionen Europäer, das sind 0,4 Prozent, entscheiden sich pro Jahr für einen Arbeitsplatz im Ausland. In den USA ziehen sechsmal so viele Arbeitnehmer um", sagt Gabriela Fischmeister, Geschäftsführerin PwC Wien.

Warum ist es so schwer, mobile Mitarbeiter zu finden?

Gefragt sind laut Personalexperten Landgrebe hoch qualifizierte Mitarbeiter - keine Juniors, sondern Manager mit Erfahrung und Kenntnis der Landessprache. Die sind aber meist Ende 30, haben Familie, Kinder, ein erhöhtes Bedürfnis nach Sicherheit und sind deshalb schwer zu mobilisieren. Den Grund für die Auslandsverdrossenheit der Alpenrepublikaner sieht Meinungsforscher Kirschhofer "in der EU-Verdrossenheit, dem starken Heimatbezug und der Scheu, sich umzutopfen".

Der soziale Preis, den die meisten Jobnomaden zahlen müssen, ist hoch: Arbeit steht im Vordergrund und dauerhafte Beziehungen kommen zu kurz. So wie bei Hannes Peters, 37, Topmanager eines Telekommunikationsunternehmens, der drei Jahre Zagreb und zwei Jahren Prag hinter sich hat: "Meine damalige Freundin in Wien wollte nicht mit, sie hätte ihren Job aufgeben müssen." Jetzt hat er zwar eine Freundin in Prag, aber auch sie wird nicht mit ihm weiterziehen.

Anders bei Gregor Hofstätter, Bank Austria Manager, der nach einem Jahr London mit seiner Frau und den zwei Töchtern derzeit in Slowenien, in Ljubljana lebt. Sprachkurse für die ganze Familie, Hilfe bei der Wohnungssuche und Integration in die Kultur des Gastlandes erleichtern die Umstellung. Billig sind solche Entsendungen allerdings nicht. Fischmeister schätzt die Kosten für einen Mitarbeiter im Ausland auf etwa das Dreifache der Personalkosten im Vergleich zum Inland. Gesucht werden deshalb flexible, ungebundene und günstige Mitarbeiter, die sich in der neuen Umgebung schnell zurechtfinden.

Ein weiteres Hindernis für den Sprung ins Ausland sieht Landgrebe in der Attraktivität des Standortes: "Ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten oder ins sonnige Spanien wollen viele, weniger sexy sind Bukarest, Kiew oder Sofia". Der größte Show-Stopper ist allerdings die fehlende Rückfahrkarte in die Heimat. Kehrt der Jobnomade nach Jahren wieder zurück, kommt es oft zu Abstrichen oder gar Kündigungen. Denn der adäquate Posten im Mutterkonzern ist bereits besetzt. "Für Heimkehrer sind zu wenig Funktionen vorhanden und die Unternehmen können auch nicht künstliche Positionen schaffen." Das ist zwar für ungebundene junge Singles oft kein unlösbares Problem, für 40-jährige Mütter allerdings schon.