Gemeinnützige Arbeit nach sechs Monaten ohne Job? | Parteien liefern sich Wahl-Gefecht. | Wien. Für die einen nur ein billiger Wahlkampfgag, für die anderen ein diskussionswürdiger Beitrag. Heftige Reaktionen löste am Dienstag Familienstaatssekretärin Christine Marek mit ihrer Forderung aus, eine Arbeitspflicht für Empfänger der Mindestsicherung einzuführen. Die Mindestsicherung ist erst am 1. September per Gesetz in Kraft getreten und derzeit nur in drei Bundesländern (Wien, Niederösterreich und Salzburg) umgesetzt. In den anderen Ländern gibt es noch keinen diesbezüglichen Landtagsbeschluss, die meisten wollen die Mindestsicherung rückwirkend einführen. | Es gibt sie doch, die Jobsuchenden
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Der Zeitpunkt für den Marek-Vorstoß dürfte nicht von ungefähr gekommen sein. Nächste Woche wird in der Steiermark gewählt, am 10. Oktober in Wien. Für eine turbulente Debatte ist jedenfalls gesorgt. Christine Marek, auch ÖVP-Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl, nimmt sich bei ihrer Forderung ein Beispiel an der sogenannten Bürgerarbeit, die derzeit in Deutschland als Pilotversuch mit Langzeitarbeitslosen läuft. Die ÖVP, so Marek, will das Modell in Österreich verpflichtend machen.
"Im Rahmen des Zumutbaren" sollen demnach etwa Bezieher der Mindestsicherung, die nach sechs Monaten keinen Job gefunden haben, zu gemeinnützigen Arbeiten verpflichtet werden können. Dazu zählen unter anderem Hilfe und Unterstützung bei sozialen Vereinen und Organisationen, aber auch Rasenmähen und Straßenkehren in den Gemeinden.
Völlige Streichung bei Arbeitsverweigerung
Marek schloss bei einer Arbeitsverweigerung eine Kürzung oder sogar völlige Streichung der Mindestsicherung nicht aus. Marek: "Ich sehe meinen Vorschlag nicht nur als Präventivmaßnahme, sondern auch als Chance für die Langzeitarbeitslosen. Menschen können sich so sinnstiftend wieder in den Beschäftigungsprozess eingliedern."
Die "Arbeitspflicht" zeigte sich beim Ministerrat als Koalitionskeil. "Kommt sicher nicht", sagte gleich einmal Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Er verwies darauf, dass es derzeit ohnehin schon Sanktionen gebe, sollte eine Arbeitsverweigerung vorliegen.
Im Vorjahr habe es in mehr als 90.000 Fällen Kürzungen gegeben. Andererseits laufen bereits Projekte zur freiwilligen Sozialarbeit, zuletzt gab es 4000 Plätze, über 6000 Arbeitslose wollten teilnehmen, legte dann Kanzler Werner Faymann im Pressefoyer nach dem Ministerrat nach und machte deutlich, was er von der Debatte hält: "Es ist für mich kein Zufall, dass der Vorschlag von der Wiener Spitzenkandidatin der ÖVP kommt", so Faymann. "Gute Ideen können auch im Wahlkampf platziert werden. Ich halte das für diskussionswürdig", konterte Vizekanzler Josef Pröll. Mini-Konsens momentan: Hundstorfer und Marek werden ein Gespräch führen. Ein Termin ist noch offen
Weitere Wortmeldungen blieben gestern nicht aus: "Das ist ein populistisches Signal nach rechts, aber in der Sachpolitik keine Leistung", sagte Wiens Bürgermeister Michael Häupl in Richtung politischer Mitbewerberin. Es bleibe festzuhalten, dass nur 25 Prozent der Betroffenen wirkliche Dauerleistungsbezieher seien und die überwiegende Mehrheit die Unterstützung zusätzlich zu einer Arbeit erhalte, so Häupl.
Man solle den Vorschlag nicht als Zwangsdienst "denunzieren", sagte ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf. "Jenseits jeder Schamgrenze" war der Vorstoß für Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger.
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sah Befürchtungen bestätigt, dass es zu Missbrauch bei der Mindestsicherung kommen wird. BZÖ-Obmann Josef Bucher sprach von "Verlogenheitspolitik" der ÖVP, sie habe der Mindestsicherung auf allen Ebenen zugestimmt.