Die Politik hat es geschafft, flexible Arbeitswelten sozial abzusichern.
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Wien. Stationen des Erwerbslebens: mit 15 die Lehre, Maschinenschlosser, dann Facharbeiter in einem großen Industrieunternehmen, betriebsinterne Aufstiege bis zum Leiter der Technikabteilung, mit 60, nach 45 Arbeitsjahren, in die Pension. Oder auch: ein Studium an der Universität, eine Assistenzstelle, die Habilitation, dann Dozent, jahrzehntelang, mit 65 die Pension.
2018 ist diese Linearität zur Ausnahme geworden. Am Beginn des Arbeitslebens stehen Praktika, am Ende die Altersteilzeit, dazwischen wechseln Phasen der Beschäftigung mit Phasen von Arbeitslosigkeit ab, alle paar Jahre wird Job und Beschäftigungsverhältnis gewechselt, von Vollzeit auf Teilzeit, vom Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit und zurück.
Mindestlohn made in Austria
Auf diese Fragmentierung des Arbeitsmarktes werden Beschäftigte, Unternehmen und die Politik im Jahr 2018 besser reagiert haben als bisher. Denn ohne gute Arbeit kein gutes Leben in Zeiten steigender Preise fürs Wohnen und Einkaufen; und ohne gute Arbeit - aus welchen Jobs sich die Karriere auch immer zusammensetzt - keine ordentliche Pension.
Die Sozialpartnerschaft hat auf dem traditionellen Weg der Verhandlungen weitere (de facto) Mindestlöhne ausverhandelt. Vorbild waren die Metaller mit ihrer Untergrenze von 1500 Euro. Außerdem wurde darauf geachtet, dass die Zahl der Leiharbeiter und freien Dienstnehmer nicht überhand nimmt. Das Credo, Vollzeitarbeitsplätze dort, wo es möglich ist, wird auch an der Schwelle zu den 2020ern hochgehalten.
Gestoppt werden konnte die explosionsartige Zunahme an Teilzeitarbeitsplätzen. Durch den starken Ausbau von kostenlosen Kinderbetreuungsplätzen hat Österreich 2018 erstmals eine sinkende Teilzeitquote. Dazu beigetragen hat auch eine gesetzliche Überstundenregelung für Teilzeitbeschäftigte. Das hat vor allem im Handel und Dienstleistungsbereich, der die Sachgüterproduktion immer stärker ablöst, die Vollzeitquote nach oben geschraubt.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die Teilzeitarbeit bevorzugen, finden nach wie vor gut zusammen, allerdings hat sich die Motivlage verändert. Mittlerweile geben die Österreicher Aus- und Fortbildung als zweithäufigsten Grund für Teilzeitbeschäftigung an: Die fehlende Kinderbetreuung rutscht bei der Frage nach den Motiven von Platz eins auf vier.
Eingebremst hat sich die Zahl der geringfügig Beschäftigten unter der Sozialversicherungsgrenze. Denn die Grenze ist flexibler gestaltet, was den Übergang in "echte" Jobs erleichtert.
Mitarbeiterbonus
Kleine Unternehmen profitieren von einer AMS-Förderung für den ersten und zweiten Mitarbeiter. Für diesen brauchen sie ein Jahr lang keine Lohnnebenkosten mehr abzuführen. Dazu kommen Investitionsspritzen, die vor allem den boomenden Ein-Personen-Unternehmen einen besseren Start ermöglichen. Außerdem bekommen diese früher Krankengeld. Selbständige am Existenzminimum zahlen außerdem keinen Selbstbehalt beim Arzt mehr. Klassische Freiberufler und Selbständige profitieren von der Weiterbildungsmöglichkeit eines Gewerbe-Stipendiums.
Im Bereich der Akademiker hat es die Regierung geschafft, den wachsenden Praktikanten-Arbeitsmarkt einzudämmen: durch die Einführung einer Mindestentlohnung für Pflichtpraktika und einer Maximalanzahl von Volontariaten. Auch verschärfte Betriebskontrollen sorgen dafür, dass bei Praktika die Ausbildung und nicht die billige Arbeitskraft im Vordergrund steht.
2018 ist Arbeitgebern wie Arbeitnehmern bewusst, dass von Fortbildungsmaßnahmen beide Seiten profitieren. Arbeitgeber, die ständig den Mangel an Fachkräften beklagten, aber selber die Ausgaben für Weiterbildung ständig nach unten schraubten, erkennen den Mehrwert. Und sie setzen auf ältere Mitarbeiter, die Schulungen zum Teil übernehmen, wenn sie woanders nicht mehr so gut einsetzbar sind. Die Motivation der Mitarbeiter steigt dadurch enorm.
Durch das Ende der Hacklerpension sind solche Rahmenbedingungen für einen aufkommenden Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer überfällig geworden. Die Schaffung eines Bonus-Malus-Systems für Unternehmen, das die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern fördert und das übertriebene Rausdrängen von älteren Menschen bestraft, trägt das Übrige dazu bei.
Durch das Eindämmen des Prekariats können die Österreicher mit einer stabileren Pension rechnen. An den großen Schrauben wird in einer immer älteren Gesellschaft natürlich weiterhin gedreht.
Pensionen: Nichts ist sicher
Seit 2014 sieht jeder am Pensionskonto, wie viel er zum derzeitigen Stand erhalten würde. Allerdings wird auch im neuen System die Dynamik der Lebenserwartung nicht berücksichtigt. Die Politik stellt sich dieser Herausforderung. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter, das 2013 noch bei 58 Jahren lag, ist wegen der Änderungen bei der Invaliditätspension und der Berufsunfähigkeit schon angestiegen. Hier wird laufend evaluiert und nachjustiert.
Ab 2025 wird am gesetzlichen Pensionsantrittsalter von Frauen gedreht. Darauf könnten die Österreicher aber schon ab 2018 durch eine vorläufige Anhebung um vier Monate vorbereitet werden. Das wäre ein Weckruf.