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Arbeitswelt im Wandel

Von Hans Holzinger

Gastkommentare
Hans Holzinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg.

Neue Arbeitszeitmodelle als Zukunftschance.


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Die Arbeitswelt ist in einem rasantem Wandel. Diese Feststellung gilt mittlerweile als Binsenweisheit. Die Zahl der wissensbasierten Tätigkeiten steigt und damit auch der Bedarf an Qualifikationen. Die Industriearbeit verschwindet beziehungsweise ändert radikal ihre Form. Schon heute sind Industriehallen beinahe menschenleer. Produziert wird von hochautomatisierten Anlagen. Facharbeiter bedienen Maschinen und übernehmen Aufsichts- und Kontrollfunktionen, doch manuelle Arbeit geht rasant zurück.

Was bedeutet diese zunehmende Automatisierung? Nicht mehr die Knappheit an Arbeitskräften lenkt beziehungsweise bremst das Wirtschaftswachstum, sondern die Knappheit und Verteuerung begrenzter Rohstoffe sowie die begrenzte Nachfrage. Viele klassische Industriebranchen sind mit Marktsättigung konfrontiert. Salopp gesagt: Wir können mehr erzeugen, als wir verbrauchen können.

Das kann natürlich nicht lange gut gehen. Kein Unternehmen produziert nur für die Lagerhalle in der Hoffnung, die Produkte später einmal absetzen zu können. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Unternehmen dazu übergehen werden, nur noch auf Bestellung, also "on demand" zu produzieren. Moderne Fertigungsanlagen ermöglichen dies, der Buchhandel macht es bereits vor: Verlage drucken Bücher immer öfter nur noch auf Nachfrage.

Geht uns deswegen die Arbeit aus? Nein, es gibt in der Tat auch in hochproduktiven Ökonomien noch genug zu tun. Bessere und flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und Universitäten mit mehr Lehrenden, dem wachsenden Bedarf angepasste Betreuungsangebote für ältere Menschen - all das erfordert mehr Arbeit. Bleibt freilich die Frage, wer diese finanzieren soll, denn der Markt wird diese Nachfragen beziehungsweise Bedarfe nur bedingt erfüllen. Als öffentliche Aufgaben sind diese öffentlich zu finanzieren. Was jedoch mehr, nicht weniger öffentliche Mittel erfordern würde. Und die notwendige Energie- und Klimaschutzwende kommt ebenfalls nicht ohne öffentliche Anschubfinanzierungen in Gang, auch wenn hier geänderte Rahmenbedingungen - sprich eine höhere Besteuerung klimaschädlicher Produktions- und Konsumweisen - dem Markt auf die Sprünge helfen könnten.

Die Prognose lautet: Das Erwerbsarbeitsvolumen wird sich weiter verschieben - vom produzierenden zum Dienstleistungssektor. Doch das ist kein Selbstläufer. Und es wird tendenziell weiter abnehmen.

Mehrere Zukunftsszenarien sind denkbar. Erstens: Es wird nichts geändert, und die Arbeitslosigkeit steigt weiter an. Zweitens: Es wird mehr Beschäftigung im Bereich öffentlicher Aufgaben und der ökologischen Umsteuerung geschaffen. Der dritte Weg, der sich mit dem zweiten kombinieren ließe, bestünde in neuen Arbeitszeitmodellen: nämlich im Abbau von Überstunden, der Option auf mehr Freizeit statt mehr Lohn, einer generellen Arbeitszeitverkürzung, vielleicht nur für Geringverdienende mit "vollem Lohnausgleich". Als vierte Option bliebe höchstens eine Art Bürgergeld, das freilich schwer Mehrheiten finden würde. Doch es ist die Aufgabe der Gesellschaft und damit der Politik, für welchen Weg sie sich entscheidet.