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Großbritannien als letzter Unsicherheitsfaktor. | Brüssel. Im Idealfall arbeiten österreichische Spitalsärzte bald wieder legal. Denn beim Treffen der EU-Sozialminister am Montag stehen die Chancen auf eine Einigung über eine neue Arbeitszeitrichtlinie so gut wie schon lange nicht. Und bereits im Jahr 2000 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Bereitschaftszeit grundsätzlich als Arbeitszeit zu werten ist. Das sprengte die Usancen in den heimischen Spitälern vollkommen, die EU-Kommission hat ihre Pläne für Strafverfahren längst in der Schublade.
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Schon seit etwa drei Jahren liegt als Ausweg ein Kompromiss der EU-Staaten zur Änderung der gemeinsamen Rechtsbasis auf dem Tisch: Bereitschaftszeit soll in aktive und inaktive Bereitschaftszeit aufgeteilt werden. Die in Österreich praktizierte Regelung für Spitalsärzte und Krankenschwestern von durchschnittlich 48 Stunden maximaler Arbeitszeit pro Woche plus zwölf Stunden aktiver Bereitschaftszeit wäre gedeckt. Weitere zwölf Stunden Anwesenheit im Krankenhaus pro Woche werden als inaktive Bereitschaft angenommen. Denn 48 Stunden sollen laut aktuellem Verhandlungsstand künftig durchschnittlich als wöchentliche Höchstarbeitszeit über einen Durchrechnungszeitraum von vier Monaten gelten, ausnahmsweise auch 60 Stunden im Schnitt über drei Monate. Darüber sind sich fast alle Mitgliedsstaaten einig. Doch den Briten ist das zu wenig: 65 Stunden im Durchschnitt über zwölf Monate sollen die Arbeitnehmer von der Insel im Ausnahmefall arbeiten dürfen, verlangt die Regierung in London.
Nach langjährigem Widerstand sind nun Frankreich und andere Gegner von Ausnahmeregelungen bereit, diese Großbritannien auf unbestimmte Zeit zuzugestehen. Auch die von London gewünschten zwölf Monate Durchrechnungszeitraum sind nach dem vorliegenden Kompromiss per Sozialpartnervereinbarung möglich. Im Gegenzug lenkten die Briten bei den Rechten der Leiharbeiter ein. Schon ab dem ersten Tag sollen sie bei Lohn und Sozialversicherungsansprüchen gleichberechtigt wie ihre fix angestellten Kollegen sein - außer die nationalen Sozialpartner einigen sich auf eine andere Regel. Und vor rund zwei Wochen haben sich die britischen Gewerkschaften mit der Industrie darauf verständigt, Leiharbeitern nach zwölf Wochen Übergangszeit ähnliche Rechte zu verleihen, wie die "Wiener Zeitung" berichtete.
Damit wäre Frankreichs Bedingung für sein Einlenken bei den Höchstarbeitszeiten im Wesentlichen erfüllt. Unberechenbar bleibt dennoch Großbritannien, auch wenn es nur noch um durchschnittlich fünf Stunden pro Woche Mehrarbeit im Ausnahmefall geht. Unnachgiebig hätten sich die Briten bisher gezeigt, heißt es. Und bereits sieben EU-Vorsitze inklusive Österreich haben sich an der Lösung des Problems die Zähne ausgebissen. Doch der Weg der Spitalsärzte aus der Illegalität scheint vorgezeichnet: Sollten auch die derzeit der EU vorsitzenden Slowenen scheitern, wird immerhin mit einer Einigung unter Frankreichs EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2008 gerechnet.