Arbeitnehmer müssen "maßgebliche Führungsaufgaben" selbstverantwortlich wahrnehmen.
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Im Arbeitszeitrecht hat der Begriff des "leitenden Angestellten" eine zentrale Bedeutung. Auf diese Arbeitnehmergruppe finden nämlich das Arbeitszeitgesetz (AZG) und das Arbeitsruhegesetz (ARG) keine Anwendung. Somit gelten weder die gesetzlichen täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitsgrenzen (10 Stunden bzw. 50 Stunden) noch die gesetzlichen Mindestruhezeiten (11 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen). Aber auch am Wochenende und an Feiertagen dürfen leitende Angestellte arbeiten, ohne dass dem Arbeitgeber Verwaltungsstrafen drohen. Schließlich muss für diese Arbeitnehmer die Arbeitszeit nicht erfasst werden.
Als Grund für diese gesetzliche Ausnahme wird allgemein ein geringeres Schutzbedürfnis von leitenden Angestellten angenommen. Diese können sich ihre Arbeitszeit weitgehend frei einteilen und erhalten ein überdurchschnittliches Gehalt. Andererseits lässt auch der Aufgabenbereich dieser Arbeitnehmer eine Bindung an die Vorgaben des Arbeitszeitrechts nicht zu.
Nicht alle Führungskräfte sind jedoch als "leitende Angestellter" anzusehen. Umgekehrt muss ein leitender Angestellter nicht unbedingt auch eine Vorgesetztenfunktion im Unternehmen wahrnehmen. In der Praxis ist es häufig sehr schwierig zu beurteilen, welche Mitarbeiter eines Unternehmens als "leitende Angestellte" zu qualifizieren sind. Im Hinblick auf die schwerwiegenden rechtlichen Folgen einer falschen Beurteilung (Verwaltungsstrafe für den Arbeitgeber!) und die restriktive Auslegung der Behörden, empfiehlt sich eine vorsichtige Einschätzung.
In einem kürzlich entschiedenen Fall hob allerdings der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der unteren Instanzen auf, weil diese einen allzu strengen Maßstab angelegt hatten (Zl 2013/11/0116). Ausgangspunkt war die Bestrafung des handelsrechtlichen Geschäftsführers einer Gesellschaft für den Vorstoß gegen die Vorschriften über Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten im Hinblick auf mehrere Arbeitnehmer. Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) erkannte nur den "Sales- und Marketingdirektor" des Unternehmens als "leitenden Angestellten" an. Den übrigen Abteilungsleitern wurde diese Qualifikation mit der Begründung abgesprochen, dass diesen Arbeitnehmern "kein Einfluss auf die Entwicklung des gesamten Unternehmens" zukomme. Der VwGH hob diese Entscheidung als rechtswidrig auf. Es sei nicht Voraussetzung für den leitenden Angestellten im Sinne des AZG, dass dieser strategische Entscheidungen für das gesamte Unternehmen trifft. Entscheidend sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer "wesentliche Teilbereiche" eines Betriebes eigenverantwortlich leitet, und damit auf den Bestand und die Entwicklung des gesamten Unternehmens Einfluss nimmt. Bei der Leitung einer Abteilung mit 40 bis 50 Arbeitnehmern könne dies nicht ohne nähere Begründung verneint werden. Zu prüfen ist ferner, ob sich der betreffende Arbeitnehmer aufgrund seiner einflussreichen Position aus der "gesamten Angestelltenschaft" heraushebt. Als weitere wichtige Kriterien nannte der VwGH die autonome Einteilung der eigenen Arbeitszeit und die Höhe des Entgelts. Eine Entscheidungsbefugnis über Aufnahme, Kündigung und Entlassung von anderen Arbeitnehmern wird hingegen nicht verlangt.
Diese Entscheidung des VwGH ist zu begrüßen, weil sie einer allzu restriktiven Auslegung der Ausnahmebestimmung des "leitenden Angestellten" entgegentritt. Aufgrund der Unbestimmtheit der relevanten Kriterien wird jedoch bei der Beurteilung dieser Frage in der Praxis auch in Zukunft häufig eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestehen.