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Arcandor: Hintergründe zur bisher größten Firmenpleite Deutschlands

Von Marco Meng

Analysen

Es gibt gute Gründe, warum die deutsche Bundesregierung dem Handels- und Touristikkonzern Arcandor die angestrebten Hilfen verweigern musste: Dessen fatale Lage hat nichts mit der Finanzkrise zu tun, sondern ist hausgemacht.


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Nach der Fusion von Karstadt und Quelle 1999 zur KarstadtQuelle AG blieb alles beim Alten: Die beiden Marken agierten nicht nur getrennt voneinander, sondern oft sogar gegeneinander. Die Zentrale des späteren Arcandor-Konzerns in Essen blieb Karstadt-geprägt, in Nürnberg machte die Quelle-Crew ihr Ding.

Weiters übernahm KarstadtQuelle 2001 von der eigenen Großaktionärin Madeleine Schickedanz 85 Prozent an der Textilkette SinnLeffers - 2004 musste die defizitäre Modekette zum Verkauf gestellt werden. Schickedanz dürfte an dem Deal gut verdient haben.

Die Verbindung zwischen Schickedanz und ihrer Hausbank Sal. Oppenheim, die in 15 Jahren rund 60 Immobilieninvestments über vier Milliarden Euro aufgelegt hat, wird jetzt untersucht. Gegen Ex-Chef Thomas Middelhoff ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Verdachts der Untreue. Middelhoff nimmt zwar für sich in Anspruch, den Konzern einst vor der Insolvenz gerettet zu haben. Saniert hat er jedoch nichts, sondern verkauft, gekauft und alles immer wieder neu zusammengesetzt.

Der damalige Bertelsmann-Chef Middelhoff hatte auf Betreiben der Quelle-Erbin Schickedanz den Chefposten 2005 übernommen. Er verkaufte die Modekette Wehmeyer und schloss Vereinbarungen über den Verkauf der Kette SinnLeffers sowie von 75 kleineren Karstadt-Filialen, die unter dem Namen Hertie geführt wurden. Alle drei Ketten meldeten später Insolvenz an.

Dann begann Middelhoff mit dem fragwürdigen Verkauf der Karstadt-Immobilien zur Entschuldung des Konzerns. Die Gebäude wurden veräußert und teuer zurückgemietet: Mietkosten jährlich 350 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sich Middelhoff über Immobilienfonds an Geschäften beteiligt hat, bei denen Gebäude zu außergewöhnlich hohen Mieten an den zu Arcandor gehörenden Karstadt-Konzern verpachtet wurden.

Der Fall soll sich zu einem Zeitpunkt ereignet haben, als Middelhoff noch nicht bei dem damaligen KarstadtQuelle-Konzern (jetzt Arcandor) tätig war. Gemeinsam mit seiner Frau soll er Fonds gezeichnet haben, über die fünf Gebäude für Kaufhäuser zu marktunüblich hohen Mieten vermietet wurden. Aufgelegt wurden die Fonds von dem Projektentwickler Josef Esch und Sal. Oppenheim. Jetzt hat sich der ehemalige Arcandor-Chef selbständig gemacht - "Berger Lahnstein Middelhoff & Partners" lautet der Name von Middelhoffs neuer Investmentfirma. Deren Motto klingt mittlerweile pikant: "Unsere Erfahrung, kombiniert mit innovativen Investitionsansätzen bringt langfristig Shareholder-Value."