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Architekten des Ruanda-Genozids stehen seit gestern vor Gericht

Von Antje Passenheim

Politik

Nairobi/Arusha - Als der ruandesische Hutu-Extremist Theoneste Bagosora 1993 unter Protest die Friedensverhandlungen in der tansanischen Stadt Arusha verließ, kündigte er an: Er gehe zurück, um "die Apokalypse vorzubereiten." Sie begann am 6. April 1994.


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Der Abschuss des Flugzeugs des ruandesischen Präsidenten Juvenal Habyarimana löste den Völkermord aus, in dem binnen hundert Tagen mindestens 800.000 Tutsis und gemäßigte Hutus massakriert wurden. Als einer der Hauptdrahtzieher steht der ehemalige Verteidigungsminister Bagosora nun vor Gericht. Seit gestern müssen er und drei weitere Ex-Militärs des ostafrikanischen Staates sich vor dem UNO-Tribunal zur Aufarbeitung des Völkermords (ICTR) in Arusha verantworten. Allerdings verweigerten sie die Vier gestern zum Auftakt, ihre Zellen zu verlassen. Die Richter eröffneten daraufhin den Prozess in deren Abwesenheit.

"Es der wichtigste Prozess seit das Tribunal 1995 seine Arbeit aufgenommen hat", meint ICTR-Sprecher Kingsley Moghalu. Die Anklage schreibe den vier Ex-Offizieren eine führende Rolle im ruandesischen Genozid zu. "Sie stehen im Verdacht, auf höchster Ebene der ruandesischen Armee die Pläne für den Völkermord ausgeheckt zu haben", sagt Moghalu. "Zusammen mit hochrangigen Regierungsvertretern sorgten sie für die Realisierung dieser Ideen."

Der heute 61-jährige Bagosora saß zuvor mit an dem Tisch, an dem über den Frieden für das ethnisch geteilte Land verhandelt wurde. Dort war gerade eine Machtteilung zwischen der von Hutu-dominierten Regierung Präsident Juvenal Habyarimanas und Vertretern der Minderheit des Tutsi-Stammes beschlossen worden. Bagosora und andere Extremisten sahen angesichts dieser Perspektive rot. "Bagosora fühlte, der einzige Ausweg, aus dieser für ihn politischen Sackgasse herauszukommen, sei die völlige Vernichtung der Tutsi-Bevölkerung", sagt ICTR-Sprecher Moghalu. Die Anklage wirft ihm vor, in Zusammenarbeit mit seinen Mitverschwörern "einen machiavellistischen Plan" zur Ausrottung aller Tutsis und Oppositioneller in Ruanda geschmiedet zu haben. Zur Umsetzung habe Bagosora Milizkämpfer rekrutiert, ausgebildet und bewaffnet. Nach dem Abschuss der Maschine von Präsident Habyarimana habe Bagosora in Abwesenheit des amtierenden Verteidigungsministers die Kontrolle über die Armee übernommen und vergeblich versucht, auch die Regierungsgewalt an sich zu reißen. Bagosora soll die Ermordung der moderaten Premierministerin, Agathe Uwilingiyamana, und der zehn belgischen Blauhelmsoldaten der UNO-Truppe für Ruanda (Unamir) angeordnet haben, die zu ihrer Bewachung abgestellt waren.

Als seine Helfer sind in Arusha die Ex-Militärs Anatole Nsengiyumva, Aloys Ntabakuze und Gratien Kaniligi angeklagt. "Sie sollen maßgebeblich dafür gesorgt haben, dass die Todeslisten mit Namen der zu Massakrierenden systematisch abgearbeitet wurden", erklärt Moghalu. "Die vier Angeklagten zählen zu den dicksten Fischen, die vor dem Tribunal standen". "Ihre Verhandlung wird hoffentlich dazu beitragen, den Hintergrund und die Organisation des Völkermords transparenter zu machen."