Qualitätskontrolle fehlt, sagen Experten. | Wien. Unter den Bauexperten und Architekten Wiens herrscht seit geraumer Zeit Unmut. Hintergrund: Die Stadt Wien plant, über die Weitergabe niedrig verzinster Kredite an private Bauträger bis zu 8000 Wohnungen sowie mehrere Kindergärten errichten zu lassen. Allerdings soll in diesem Fall auf die bisher übliche Auslobung von Bauträger- und Architekturwettbewerben verzichtet werden.
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"Wir befürchten, dass ohne Qualitätskontrolle Wohnbauten geschaffen werden, die nicht den architektonischen Ansprüchen unserer Zeit genügen", begründete Bernhard Steger vom Institut für Architektur und Entwerfen der Technischen Universität Wien seine Kritik. Unverständlich sei für ihn vor allem die Tatsache, dass die Stadt Wien in ihrer Ausschreibung von den Bewerbern zwar strenge Kriterien wie Bonität, Mietpreishöchstgrenzen oder ökologische Standards einfordert, die Notwendigkeit architektonischer Vorgaben hingegen nicht berücksichtigt.
Ein Dorn im Auge ist Steger auch der Plan der Stadt Wien, in den nächsten Jahren auch mehrere Kindergärten von Privaten errichten zu lassen. "Ein Kindergarten ist nicht bloß ein Gebäude mit einem Dach über dem Kopf", erklärte der Experte. Im schlimmsten Fall könnten folglich ohne Qualitätskontrolle reine Zweckbauten entstehen, die nicht den Ansprüchen zeitgemäßer Pädagogik entsprechen, warnte Steger.
Beirat überprüft Qualität
Dafür, das hohe Niveau des geförderten Wohnbaus auch bei der gegenständlichen, von privaten Konsortien getragenen Wohnbauoffensive zu halten, sprach sich auch der Präsident der Wiener Architektenkammer, Walter Stelzhammer, aus. Er vermisse "Regulativen über die zwingende Durchführung qualitätssichernder Verfahren wie Architekturwettbewerbe". Letztlich sei es gerade die Baukultur, die über die Lebensqualität der Menschen entscheide, sagte er.
Im Büro des zuständigen Wohnbaustadtrats Michael Ludwig hingegen will man von fehlenden Qualitätskriterien nichts wissen. "Wir haben für diese Wohnbauoffensive einen Expertenbeirat eingerichtet, der jedes eingereichte Wohnungsprojekt prüfen wird", erklärte Stadtrat-Sprecher Christian Kaufmann auf Anfrage und fügte hinzu: "So einen Beirat gibt es sonst nirgends."
Laut Kaufmann sind in dem Gremium sechs Fachleute aus den Bereichen Architektur, Freiraumplanung und Verwaltung vertreten. Überprüft würden unter anderem Funktionalität, Lage, Nachhaltigkeit sowie Grün- und Freiraumgestaltung der geplanten Neubauten.