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Archive sind, frei nach Robert Hochner, zwar auch der Journalistenrache am gemeinen Politiker dienlich. Für Fernsehanstalten praktisch, erfolgt der Griff in die Kiste bisweilen aber aus niederen Gründen: Es gibt schließlich nichts Billigeres, als sich selbst zu recyceln. Im besten Fall fällt dabei auch Mehrwert für die Seherschaft ab. Der ORF reüssiert diesbezüglich mit seinem Dosenformat "Panorama", das eine Begegnung mit vergangenen Tagen über "Klassiker der Reportage" ermöglicht. Bei der nicht nur für Kultur- und Sozialanthropologen horizonterweiternden Sendung hat man es mit einer Fundgrube an grotesken Geschichten zu tun, die eine Idee davon geben, warum die Gesellschaft von Sitten und (Moral-)Vorstellungen über die Zeit abweichen muss, um Jahrzehnte später nicht schlauer zu sein.
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Das Verhältnis zwischen Haustier und Besitzern, das diesmal erkundet wurde, bewies etwa, dass sich der Mensch bereits 1970 bezüglich "Badi-badi, brav, brav!" für seinen Hund zum Affen machte.
Zudem gefiel die Reportage mit klugen Beobachtungen über die Auswirkungen des wirtschaftlichen Aufschwungs auf die zwischen Schönheitssalon und Mode auf den Hund gekommene Menschheit, die teils poetisch, teils trocken ausfielen: "Dass der Hund noch bellt, ist ein Relikt seiner Vergangenheit - man wird ihm auch das noch hinwegzüchten." In den postmodernen 80er-Jahren gingen verhaltensauffällige Oberösterreicher mit ihren Geparden spazieren. Solche Menschen nennt man am Land auch heute noch "Depperte". 1980 lautete die Frage an einen Reptilienfreund: "Sie glauben, obwohl Sie eine Schlange halten, dass Sie vollkommen normal sind?"