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Argentinien: Kirchner im Tief

Von Jan-Uwe Ronneburger

Politik

Experte: "Kirchner weiß, dass ihre Zeit abläuft." | Harter Kampf um entscheidende Vota in Buenos Aires. | Buenos Aires. (dpa) Bei der Parlamentswahl in Argentinien am kommenden Sonntag zeichnet sich eine schwere Wahlschlappe für das seit sechs Jahren regierende Präsidentenehepaar Kirchner ab. Die 2007 gewählte Linksperonistin Cristina Kirchner und ihr Mann Nestor, der das Land die vier Jahre zuvor geführt hat, müssen Umfragen zufolge mit einem Minus von bis zu 15 Prozentpunkten im Vergleich zur Präsidentenwahl 2007 und dem Verlust der parlamentarischen Mehrheit rechnen.


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Laut Meinungsforschern können sie nur noch auf etwa 30 bis 35 Prozent der Stimmen hoffen. Nach einer Besonderheit der argentinischen Demokratie werden ähnlich wie in den USA zur Halbzeit der Legislaturperiode die Hälfte der Mitglieder des Abgeordnetenhauses und ein Drittel der Senatoren neu bestimmt.

"Die Kirchners wissen, dass ihre Zeit abläuft, und es geht ihnen nur noch darum, ungeschoren aus der Präsidentschaft herauszukommen", meint der Meinungsforscher Jorge Giacobbe. Die Wahl stellt auch nach Ansicht des Politologen Rosendo Fraga die Weichen für die Präsidentenwahl 2011.

Die Kirchners hätten sich schon den derzeitigen Gouverneur der Provinz Buenos Aires rund um die gleichnamige Hauptstadt, Daniel Scioli, als Kronprinzen auserkoren.

Und wie schon so oft in der jüngeren argentinischen Geschichte raufen sich vor allem die verschiedenen Strömungen des Peronismus um die Macht. Das Ergebnis ist Unübersichtlichkeit. In der Provinz Buenos Aires liefert sich der verbal eher linksgerichtete Peronist Nestor Kirchner ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem konservativeren Peronisten Francisco de Narvaez um einen Platz im Parlament.

Nicht-Peronisten haben kaum eine Chance

Kirchner tritt dabei für die Liste Frente Justicialista para la Victoria (Gerechtigkeitsfront für den Sieg) an, der reiche Unternehmer De Narvaez für die Union-Pro, ein Zusammenschluss aus abtrünnigen Peronisten und der Bewegung "Pro" des konservativen Bürgermeisters der Hauptstadt, Mauricio Macri.

Außerhalb des Peronismus kann nur das Bündnis Acuerdo Civico y Social (Bürgerliche und soziale Vereinbarung) mit einem größeren Stimmenanteil rechnen. Das Ergebnis in der bevölkerungsstarken Provinz Buenos Aires ist wahlentscheidend, denn sie stellt fast 40 Prozent aller Wähler landesweit. Ihre Bedeutung machen auch die selbst für argentinische Verhältnisse kurios anmutenden Winkelzüge der Regierung deutlich. Sie setzt auf große Namen. So engagierte sich der eigentlich aus der Patagonien-Provinz Santa Cruz stammende Nestor Kirchner dort erst im letzten Augenblick.

Regierung behält die Budgethoheit

Trotz der absehbaren Niederlage wird Cristina Kirchner ihre Amtszeit wohl einigermaßen unbeschadet zu Ende führen können. Der Verlust der parlamentarischen Mehrheit ist verschmerzbar, denn die Regierung hat seit 2001 Vollmacht, am Parlament vorbei Änderungen am Budget vorzunehmen.

Und die Opposition, die für 2011 schon mit den Füßen scharrt, will kein ruiniertes Argentinien übernehmen. "Sie möchten es so wie heute", sagt Giacobbe, einigermaßen stabil.