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Argentinien will weiterkämpfen

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Präsidentin Kirchner will die neuerliche Staatspleite nicht akzeptieren. Von den südamerikanischen Staaten kommt Beifall.


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Buenos Aires. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner hat sich für die Opferrolle entschieden. Und die Chancen, dass das zahlungsunwillige südamerikanische Land im Kampf gegen die unbeliebten Geierfonds zumindest innenpolitisch einen kurzfristigen Erfolg erzielen wird, stehen nicht schlecht. Die Umfragewerte im eigenen Land sehen die Kirchner-Strategie im Vorteil. Selbst die "New York Times" spricht am Tag nach dem Scheitern der Verhandlungen von einer Kampagne gegen Argentinien.

Am Donnerstag war das Land nach 2002 erneut in die Staatspleite geschlittert, weil es im Rechtsstreit mit klagenden US-Hedgefonds in New York die fristgerechte Auszahlung von 1,33 Milliarden Dollar samt Zinsen verweigerte. Obwohl die Hedgefonds nur eine kleine Gruppe der Gläubiger stellen, hat die gescheiterte Schlichtung weitreichende Folgen: Durch eine Anordnung des US-Richters Thomas Griesa, der in dem Fall entscheiden konnte, weil die beklagten Staatsanleihen nach US-Recht begeben wurden, dürfen vorerst alle übrigen Gläubiger, die bei Schuldenschnitten auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichtet hatten, nicht ausbezahlt werden. Die Bonitätswächter von S&P reagierten prompt und erklärten das Land für pleite.

Argentinien will nun allerdings prüfen, ob es den Fall vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag bringen und die Vereinten Nationen einschalten kann. Denn mit der Erklärung der technischen Zahlungsunfähigkeit sei der Marathon noch keineswegs vorbei, glaubt die argentinische Regierung. Schließlich wolle sein Land ja bezahlten, beteuert der jugendliche Wirtschaftsminister Axel Kicillof: "Aber unter vernünftigen Bedingungen, nicht unter erpresserischen Bedingungen." Kicillof könnte zum großen innenpolitischen Gewinner der Krise aufsteigen, weil er nach Ansicht vieler Argentinier den "Raubtierkapitalisten" der US-amerikanischen Hedgefonds die Stirn bietet.

In Argentinien wird 2015 ein Nachfolger für Präsidentin Cristina Kirchner gesucht. Sollte Kicillof am Ende dieses Pokermarathons um 1,3 Milliarden einen wie auch immer gearteten Erfolg vorweisen können, wäre er ein ernsthafter Kandidat für die Nachfolge Kirchners.

Doch auch wenn die globale Finanzwelt diesmal wohl weit weniger erschüttert werden wird als im Jahr 2002, dürften die unmittelbaren Folgen für das südamerikanische Land schon bald zu spüren sein: Ausländische Investoren werden nach der zweiten Staatspleite innerhalb von nur zwölf Jahren das Land meiden, die Kosten für Kredite werden deutlich steigen, der Zugang zu den Kapitalmärkten ist nun noch deutlich schwieriger als zuvor.

Das führt zu einem Werteverlust des argentinischen Peso. Und das wiederum trifft vor allem die ärmsten der Armen, die keine Chance hatten, sich wie die Mittel- oder Oberschicht rechtzeitig mit der Ersatzwährung Dollar einzudecken. Die sozial schwachen Bevölkerungsschichten bilden das eigentlich traditionelle Wahlklientel der Linkspopulistin Kirchner. Wie lange sie allerdings Beifall klatschen, wenn sie erst einmal die volle Wucht des von Buenos Aires willkürlich herbeigeführten Staatsbankrotts trifft, bleibt abzuwarten.

Es ist ein politischer Drahtseilakt Kirchners, der keinen Raum zwischen einer krachenden Niederlage für das Land und einem strahlenden Sieg auf dem politischen Parkett lässt, sollte Argentinien von anderen Instanzen doch noch Recht bekommen. Hinter dem Kampf gegen die "Geierfonds" steckt deswegen eine langfristige Strategie der Kirchner-Regierung. Denn Buenos Aires wäre wohl durchaus in der Lage gewesen, die 1,3 Milliarden US-Dollar an die beiden US-Hedgefonds zu zahlen. Kirchner und Kicillof wollen sich als Kämpfer gegen den US-Kapitalismus profilieren. Das ist populär in Lateinamerika. Der Beifall der überwiegend linksregierten lateinamerikanischen Länder ist Argentinien ohnehin gewiss, Solidaritätsadressen aus Venezuela und Brasilien sind bereits eingetroffen.