Kultusgemeinde überlegt Anzeige im Zusammenhang mit "unzensuriert.at".
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Wien. Zuerst waren es die Aussagen Heinz-Christian Straches am Burschenschafter-Ball ("wir sind die neuen Juden"), dann das Posting zur Attacke auf den Ex-SPÖ-Fraktionsführer im Bundesrat, Albrecht Konecny, auf Facebook ("linke Gewaltdemonstranten"). Jetzt hat die FPÖ ein neues Problem am Hals: Wie die "Wiener Zeitung" exklusiv erfuhr, prüft die Israelitische Kultusgemeinde derzeit eine Anzeige nach dem Verbotsgesetz im Zusammenhang mit dem vom Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf ins Leben gerufenen Internet-Portal "unzensuriert.at." Dort hat nämlich ein User in ziemlich deutlichen Worten den Holocaust angezweifelt.
Aber der Reihe nach: Auf der Website debattieren die User über die ORF-Sendung "Im Zentrum" vom 5. Februar, in der es um Straches "Juden"-Sager ging. Ein Poster namens "John Galt", der offensichtlich der deutschen Rechtschreibung nicht mächtig ist, fragt im Zusammenhang mit dem Verbotsgesetz, warum es in einer Demokratie eines solchen Gesetzes bedürfe. Und beantwortet sich die Frage dann gleich selbst: "weil ein großteil dieser geschichte erlogen ist und den phantasien einzelner entspringt (. . .) sollte wirklich alles stimmen an der geschicht und den 6 mio industriel vernichteten juden (. . .)", dann brauche es ja keine derartigen Gesetze, schreibt er weiter. Dieses Posting wurde mittlerweile zwar gelöscht, wie lange es online war, vermag niemand genau zu sagen. Der Wiener Rechtsanwalt Gerald Ganzger, der die Israelitische Kultusgemeinde vertritt, meint dazu: "Ein Teil der Veröffentlichung erscheint uns durch die Staatsanwaltschaft überprüfenswert." Er spricht von einer Verharmlosung und Verniedlichung des Holocaust und überlegt derzeit eine Anzeige nach dem Verbotsgesetz. Eine Entscheidung darüber soll heute, Dienstag, gemeinsam mit der IKG getroffen werden.
"Grenzwertig", aber wohl nicht gesetzeswidrig erscheint ihm auch ein weiteres Posting von "John Galt", das dieser kurz vor dem bereits gelöschten abgesetzt hat. Darin wettert er gegen die "jüdisch-zionistische neusprechverordnung". Für ihn steht jedenfalls fest (man beachte erneut die Rechtschreibung), "das von dieser jüdisch-zionistischen finazmafia voll und ganz die schuld an dieser finazkriese trägt . . ."
"Fehlendes Unrechtsbewusstsein"
Für Heribert Schiedel, Rechtsextremismus-Experte beim Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, hat dieses Posting - auch abseits einer allfälligen strafrechtlichen Relevanz - einen "offensichtlich neonazistischen Charakter". Dass der wenige Minuten später gepostete Kommentar gelöscht wurde - weil er eben recht eindeutig strafrechtlich problematisch war - und der zweite nicht, ist für ihn "kein Zufall": Er ortet "fehlendes Unrechtsbewusstsein und eine Form der Komplizenschaft" bei den Betreibern der Website.
Alexander Höferl, Pressesprecher Grafs, stellvertretender Obmann des Vereins "Unzensuriert - Verein zur Förderung der Medienvielfalt" und damit Medieninhaber sowie selbst Autor der Website, sieht das naturgemäß anders: Kommentare würden auf der Seite grundsätzlich ohne Zensur veröffentlicht (im Unterschied zu den meisten anderen Internetseiten, wo die Kommentare vor der Veröffentlichung geprüft werden) - "selbst überprüfen wir nur stichprobenartig". Zusätzlich stehe es "jedem frei, sich aufzuregen", dann würde man entsprechende Postings löschen.
Er selbst habe jedenfalls das Holocaust-Posting gelöscht, das ihm bei einer solchen Stichprobe aufgefallen sei, so Höferl. Angesprochen auf die "zionistische Neusprechverordnung", meinte er, das sei "höchst merkwürdig". Aber "ich identifiziere mich als Medieninhaber nicht mit den Postings meiner Leser". Und wenig später löschte Höferl auch dieses Posting. Eine Woche, nachdem es erschienen war und nach Hinweis durch die "Wiener Zeitung". Aber immerhin.
Für den grünen Abgeordneten Karl Öllinger sind die Postings jedenfalls ein Beweis dafür, dass "Graf an der Spitze des Nationalrats nichts zu suchen hat". Der Dritte Nationalratspräsident habe "dafür und für alle anderen Ausritte die Verantwortung zu tragen". Höferl wirft Öllinger im Gegenzug vor, auf seiner Internet-Seite "stopptdierechten.at" mit Linksextremen zu liebäugeln.