Während die Rebellen versuchen ihre Position zu konsolidieren, weist die US-Regierung Vorwürfe des haitianischen Ex-Präsidenten Jean-Bertrand Aristide zurück, er sei gegen seinen Willen zum Verlassen seines Landes gezwungen worden.
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Die Rebellen wollen ihre Waffen vorerst doch nicht niederlegen und werben stattdessen bei den Haitianern für die Erneuerung der 1995 aufgelösten Armee. Zum neuen Militärchef erklärte sich gestern Rebellenführer Guy Philippe.
Aristide hatte zuvor von einem "Staatsstreich" und einer "Entführung" durch die USA gesprochen. "Niemand darf einen gewählten Präsidenten zwingen, zu gehen", hatte er CNN am Telefon gesagt.
Die US-Regierung wies die Anschuldigungen gestern vehement zurück. Außenminister Colin Powell erklärte, die Vorwürfe, man habe den haitianischen Ex-Präsidenten "irgendwie entführt", entbehrten "absolut jeder Grundlage" und seien "absurd". Man habe ihn lediglich wissen lassen, dass man ihn nicht vor den Rebellen beschützen werde, wenn diese nach Port-au-Prince vordringen.
Aristide führte weiter aus, er sei von Haitianern wie Amerikanern gleichermaßen gestürzt worden. Der Flughafen, der Präsidentenpalast und sein Haus seien umstellt gewesen. "Mit eigenen Augen" habe er gesehen, dass sich alles unter US-Kontrolle befunden habe. Haitainische und US-Agenten haben ihm unmissverständlich erklärt, dass es im Falle seines Bleibens, ein Blutvergießen mit "tausenden Opfern" gebe.
Zudem habe er 20 Stunden in einem US-Militärflugzeug verbracht, ohne zu wissen wohin die Reise geht, und ohne dass ihm ein Telefonat erlaubt wurde, beschwerte er sich. Einem CNN vorliegenden Rücktrittsschreiben Aristides, sprach dieser die Authentizität ab. Weiters wisse er nicht, ob es ihm erlaubt sei, zu reisen wohin er wolle, schloss er.
Die französische Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie versicherte dagegen, Aristide werde in Zentralafrika "geschützt und nicht festgehalten" und könne "weg, sobald er weg will".
Gewaltsam entführt?
Bestätigt wurden Aristides Angaben allerdings von einigen seiner Befürworter in den USA. Etwa Randall Robinson, der ehemalige Chef der Lobbying-Gruppe TransAfrica erklärte, Aristide sei definitiv "entführt" worden. Dieser habe ihm per Handy erzählt, dass ihn rund 20 US-Soldaten mitten in der Nacht überwältigt und mit seiner Frau und einigen Vertrauten in ein Flugzeug gesteckt hätten.
Der US-Kongressabgeordnete Charles Rangel, der ebenfalls mit Aristide telefoniert hatte, erklärte jedoch, dass das Wort "Entführung" sehr "subjektiv" interpretiert worden sei. Auch habe Aristide laut Eigenaussage am Flughafen von Port-au-Prince keine Handschellen getragen, wie zum Teil berichtet worden ist. Es sei ihm aber "eindringlich geraten worden", Haiti zu verlassen. Die US-Armee habe Aristide "geholfen, die Entscheidung zu treffen", sagte Rangel.
Untersuchung gefordert
Jedenfalls fordern Aristides' Unterstützer in den USA, wie der Bürgerrechtler Jesse Jackson, der auch Aristides Gespräch mit CNN vermittelt hatte, eine Untersuchung über die Beteiligung des CIA an dem Umsturz in Haiti.