Die Teuerung macht Armutsgefährdeten zu schaffen. Die Armutskonferenz liefert Vorschläge zur Entlastung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im April ist die Inflationsrate in Österreich auf 7,2 Prozent geklettert, den höchsten Wert seit 1981. Verkehr, Wohnen, Haushaltsenergie und Lebensmittel werden Monat für Monat teurer. Treibstoffe kosteten etwa um die Hälfte mehr als zur gleichen Zeit im Vorjahr, der Preis für Gas stieg um zwei Drittel. Aber auch Nahrungsmittel sind um rund acht Prozent teurer als im April 2021. Vor allem bei Fleisch, Gemüse, Butter, Brot und Kaffee machen sich Preisanstiege bemerkbar.
"Wir sitzen nicht alle im gleichen Boot", sagt Martin Schenk von der österreichischen Armutskonferenz, die 1995 als Netzwerk von 40 sozialen Organisationen sowie Forschungseinrichtungen gegründet wurde und sich seither mit der Armut und deren Bekämpfung in Österreich befasst. "Wir sitzen alle im gleichen Sturm, aber die einen sitzen in einer Nussschale, die anderen auf einer Luxusjacht", so Schenk in einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Fast 15 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht
Denn für Menschen, die ohnehin armutsgefährdet sind, sind die Preissteigerungen dramatisch. Die drei Posten Wohnen, Energie und Lebensmittel beanspruchen hier laut Schenk ohnehin den Großteil des Einkommens, für zusätzliche Preissteigerungen bleibt kein Puffer. "Sparen kann man nur beim Essen. Energie und Wohnen bleiben gleich oder werden sogar teurer", sagt Schenk. Das führe dazu, dass auch in Österreich manche Eltern auf Mahlzeiten verzichten würden, damit ihre Kinder ausreichend zu essen haben.
Und Armut betrifft nicht wenige in Österreich. 14,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung gelten als armutsgefährdet, für einen Einpersonenhaushalt bedeutet das ein Einkommen von unter 1.371 Euro im Monat. Besonders häufig betroffen sind Kinder, Arbeitslose, Alleinerziehende und Menschen mit chronischen Krankheiten.
2,4 Prozent der Österreicher - das sind immerhin mehr als 200.000 Menschen - sind "erheblich materiell depriviert". So bezeichnet werden Haushalte, für die wesentliche Güter oder Lebensbereiche nicht mehr leistbar sind, etwa eine Waschmaschine, ein Handy oder eine ausreichend geheizte Wohnung.
Geld fehlt für Urlaub, Heizen und Lebensmittel
Im November 2021 befragte die Statistik Austria 3.500 Menschen zu Einkommensverlusten und finanziellen Schwierigkeiten. 28 Prozent der Befragten hatten Probleme, "unerwartete Ausgaben" zu stemmen. Für knapp ein Viertel war ein jährlicher einwöchiger Urlaub nicht mehr möglich. Sechs Prozent gaben an, sich seltener als jeden zweiten Tag eine warme Hauptmahlzeit leisten können.
Die Armutskonferenz hat daher gemeinsam mit der Wirtschaftsuniversität Wien ein Konzept erarbeitet, das die Armut in Österreich reduzieren soll. Im Fokus steht dabei der Ökobonus, der diesen Sommer gemeinsam mit der CO2-Abgabe eingeführt werden und die dadurch entstehenden Preissteigerungen abfedern soll. Vorgesehen ist eine Staffelung je nach Region: Während Menschen in Wien 100 Euro jährlich erhalten sollen, ist für ländliche Gebiete ein Bonus von bis zu 200 Euro vorgesehen. Schließlich ist man hier etwa stärker auf den eigenen Pkw angewiesen und würde teureren Treibstoff deutlicher zu spüren bekommen, so die Theorie.
Die Armutskonferenz schlägt hingegen eine Staffelung je nach Einkommen vor. Alle Personen mit einer Steuerbemessungsgrundlage von bis zu 31.000 Euro jährlich würden einen Klimabonus von 190 Euro erhalten. Bei einem höheren Einkommen soll dieser Betrag allmählich gesenkt werden und ab einer Bemessungsgrundlage von 60.000 Euro ganz wegfallen. Für Kinder sind unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern 95 Euro vorgesehen. Laut der Studie wäre diese Form der Entlastung mit rund 1,3 Milliarden zwar ähnlich teuer wie der aktuelle Plan der Bundesregierung, würde aber einkommensschwache Haushalte gezielter entlasten.
Heizkostenzuschuss und Hilfe für Alleinerziehende
Um die Teuerungen im Energiebereich abzufedern, empfiehlt die Armutskonferenz einen Heizkostenzuschuss von 300 Euro jährlich für Personen mit einem Einkommen unterhalb der Sozialhilfegrenze, die für einen Einpersonenhaushalt aktuell bei 978 Euro liegt. Die Höhe von Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe müsste dringend der Inflation angepasst werden, das ist seit 20 Jahren nicht geschehen. Außerdem müsste die Sozialhilfe umfassend reformiert werden und die Wohnbeihilfe zumindest temporär erhöht. Notwendig seien auch Erleichterungen für die oft von Armut betroffenen Alleinerziehenden, etwa durch eine Ausweitung des Unterhaltsvorschusses sowie die umfassende Verfügbarkeit von Kinderbetreuung, um den Elternteilen die Teilhabe am Berufsleben zu erleichtern.
13. Armutskonferenz~ Am 23. und 24. Mai findet die 13. Armutskonferenz in St. Virgil, Salzburg, unter dem Motto "Es brennt — Armut bekämpfen, Klima retten" statt. Konferenzen, Keynotes und Diskussionen beschäftigen sich mit dem Zusammenhang und der gemeinsamen Bekämpfung von Armut und Klimakrise.