Die vielen Kirchenaustritte bereiten den heimischen Diözesen auch materiell ziemliches Kopfzerbrechen. Der Einnahmenausfall ist gewaltig, die Erzdiözese Wien hat schon angekündigt, einige Ausgaben streichen zu müssen. Die bekannt gewordenen Missbrauchsfälle zeigten Wirkung, als Ursache taugen sie eher nicht.
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Viele Katholiken wenden sich von ihrer Amtskirche nicht wegen grassierender Gottlosigkeit ab, sondern weil die Vertreter der Institution einen immensen Glaubwürdigkeitsverlust erlitten haben. Dafür ist die Kirche selbst verantwortlich. Kardinal Christoph Schönborn sagte im Dezember fast flehentlich, dass die Kirche doch ohnehin die Verantwortung für die Missbrauchsfälle übernommen habe. Das tut sie, aber viel zu spät. Das jahrelange Wegschauen kann damit nicht wiedergutgemacht werden. Es entstand ein Bild, in dem Priester Wasser predigten, aber Wein tranken.
Dazu kommt noch, dass die katholische Kirche gerade im Bildungs- und Sozialbereich mit Schulen, Spitälern und Heimen eine weltliche Rolle spielt und darin oftmals Werte verteidigt, die keine mehr sind. Eine glückliche Familie muss nicht deckungsgleich mit Vater/Mutter/Kind sein. Wenn sie aber schon politisch agiert, vor allem natürlich in die christdemokratische Volkspartei, dann muss sie diese Werte entweder leben oder sich wenigstens der Kritik stellen.
Die Missbrauchsfälle (aber auch Vorgänge, bei denen angesehene Seelsorger aus dem Amt ausscheiden mussten, weil sie sich in eine Frau verliebten) zeigen, dass die Kirche ihren Anspruch selbst nicht erfüllt. Mit Kritik tut sie sich aber auch hart: Die ersten institutionellen Gespräche mit den internen Kritikern von der Plattform "Wir sind Kirche" gab es 2010. Deren Kirchenvolksbegehren, das mehr als 500.000 Menschen unterschrieben haben, fand bereits 1995 statt. Das mögen vatikanische Zeitdimensionen sein, das besteuerte Kirchenvolk muss das nicht verstehen.
Es gibt - auch in der Jugend - eine Hinwendung zu Spiritualität und grundsätzlichen Fragen des Lebens. An der katholischen Kirche geht dies - siehe Austrittszahlen - vorbei. Solange dieses Dilemma besteht, wird auch die Zahl der zahlenden Katholiken immer kleiner werden.