6,6 Milliarden Euro braucht die auf Trennung von Spanien bedachte Regierung Kataloniens aus der Madrider Zentralkasse, um Verwaltung und öffentliche Dienstleistungen aufrechtzuerhalten.
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Barcelona. (ce) Kataloniens Regierung will in bereits 18 Monaten die Strukturen eines eigenen Staates mit Finanz- und Gesundheitswesen sowie eigenem auswärtigen Dienst aufbauen und dann einen Volksentscheid über die Trennung von Spanien abhalten. Über Geld wird in diesen Absichtserklärungen wenig gesprochen. Das ist verständlich, denn die seit etwas mehr als zwei Wochen amtierende Regionalregierung in Barcelona, bestehend aus bürgerlichen wie linksnationalistischen Kräften, hängt seit Jahren am finanziellen Tropf der nationalen Regierung in Madrid. Der neue Wirtschaftsminister Oriol Junqueras, der auch "Außenminister" Kataloniens ist, muss für dieses Jahr in Madrid um 6,6 Milliarden Euro Finanzhilfe bitten. Ohne diesen Rettungsschirm aus der Nationalkasse sind weder der Regierungsbetrieb selber noch Verwaltung oder wichtige öffentliche Dienstleistungen aufrechtzuerhalten.
Keine Region höher verschuldet
Die Verhandlungen mit dem bis zur Bildung einer neuen nationalen Regierung weiter amtierenden Finanzminister Cristóbal Montoro werden sich schwierig gestalten. Die Kassen in Barcelona sind leer, Dienstleister und Zulieferer an die Landesregierung sitzen auf unbezahlten Rechnungen, trotz Milliardenhilfen aus Madrid Ende des abgelaufenen Jahres. Junqueras muss für Versäumnisse der jetzt abgelösten Regierung von Ministerpräsident Artur Mas gradestehen. Der hatte sich, als Vorleistung für Finanzhilfen aus Madrid, für 2015 zu Einsparungen im Landeshaushalt von 1,9 Milliarden Euro verpflichtet. Und zur Begrenzung des Haushaltsdefizits auf 0,7 Prozent des katalanischen Bruttoinlandprodukts (BIP). Beides wurde nicht eingehalten. Eingespart wurden nur 273 Millionen Euro und die Verschuldung stieg um 2,02 Prozent.
Junqueras musste nach dem Kassensturz nun feststellen: "Die Schulden Kataloniens sind die höchsten aller spanischen Regionen und belaufen sich auf 68 Milliarden Euro oder 33,6 Prozent des regionalen BIP. Der Durchschnitt der Regionen liegt bei 23,5 Prozent." Hauptgläubiger Kataloniens ist die Zentralregierung, die seit 2012 mehr als 50 Milliarden Euro in die Region pumpen musste, überwiegend in Form von zinslosen Darlehen aus dem Liquiditätsfonds für die Autonomen Regionen, einer Art innerspanischem Rettungsschirm für die Landesregierungen.
Für die Ratingagentur Moody’s steht fest, dass trotz der Madrider Finanzhilfen die Kreditwürdigkeit Kataloniens nur noch äußerst niedrig einzustufen ist. Dem neuen Minister Junqueras traut man nach seinen ersten Äußerungen im Amt nicht zu, dass er die Finanzen der Regionalregierung wirklich in Ordnung bringen will und kann.
Zweite Rating-Abstufung
Es ist das zweite Mal in weniger als drei Monaten, dass die Agentur die Bewertung Kataloniens absenkt. Am vergangenen Freitag senkte Moody’s die Note von bisher "stabil" auf "negativ" (Ba2). Erst am 27. September vergangenen Jahres hatte sie die Einstufung von positiv auf stabil heruntergeschraubt. Als Grund wird der Konflikt zwischen Barcelona und Madrid wegen der katalanischen Sezessionsabsichten und den Folgen für Investitionen und die Wirtschaft angeführt.
Die spanischen Banken, vor allem jene mit Sitz in Katalonien, fordern von der neuen Regierung dort vor allem "Respekt für das Gesetz". Gemeint ist die Verfassung, die keine einseitige Unabhängigkeitserklärung zulässt. Der Präsident der Großbank Bankia, José Ignacio Goirigolzarri: "Es ist offensichtlich, dass eine einseitige Unabhängigkeitserklärung den Finanzsektor treffen würde."
Noch vor den Regionalwahlen Ende September 2015 hatten die Verbände der Banken und Sparkassen gewarnt, sie würden ihre Firmensitze aus Katalonien an andere spanische Standorte verlegen, wenn Barcelona mit den Unabhängigkeitsbestrebungen Ernst machen würde. Angesichts dreimonatigen Regierungsbildung schlägt Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont diesbezüglich momentan leisere Töne als sein Vorgänger Artur Mas an, der an der Regierungsbildung scheiterte.